Die dunkle Seite der Dinge
hatten nämlich eins
gemeinsam.“
„ Was denn?“
„ Sie waren schwanger!“
Wellinger schlug mit der Faust
auf das Armaturenbrett. Hagens Worte hämmerten in seinem Kopf. Irgendwo da draußen
weint ein einsames Baby nach seiner Mutter. Die Lücke im Mosaik schloss sich und fügte sich zu einem
entsetzlichen Bild.
Verzerrt klang eine Stimme über
Funk zu ihnen durch und nannte die Adresse. Ricarda startete den
Wagen. „Noch etwas, Chef“, sagte sie angespannt.
Kreidebleich schaute er sie an.
„ Dieser leitende Arzt des
Flüchtlingslager, ein gewisser Jan Siebers. Er war mit den
Versuchen nicht einverstanden und hat wohl die falschen Fragen
gestellt. Doktor Jan Siebers ist vor wenigen Tagen, kurz nach
Grünwalds Besuch im Lager, ermordet worden.“
„ Geben Sie Gas, Ricarda! In
Gottes Namen geben Sie Gas!“
Kapitel 25
„ Bleib ruhig! Ich möchte
nur mit dir reden, danach wirst du alles verstehen.“ Die grauen
Augen musterten Franziska. Aus der Wand löste sich ein weiterer
Schatten. Panisch versuchte sie zu fliehen, doch die Fesseln, die sie
an den Stuhl banden, hielten sie zurück.
„ Aber bitte, meine Liebe.
So beruhige dich. Ich werde dir alles erklären“, lächelte
Esther.
Franziska schüttelte den
Kopf. Merkwürdig, während des Dinners hatten Esthers graue
Augen, die denen ihres Halbbruders so sehr glichen, wärmer
geleuchtet. „Nein!“, sagte sie. Ihre Stimme bebte vor
Angst. „Du wirst mir nichts erklären. Auf der Stelle
bindet ihr mich los!“
Esther seufzte und gab dem
Schatten ein Zeichen.
„ Fass mich nicht an!“,
keuchte Franziska.
„ Du musst dich schon
entscheiden, was du möchtest. Wenn wir deiner Bitte nachkommen
sollen, wirst du schon zulassen müssen, dass Eno sich dir
nähert.“
Franziska schluckte, dann nickte
sie und Eno löste die Fesseln.
„ Komm mit!“, sagte
Esther, doch Franziska blieb wie angewurzelt sitzen. „Nun komm
schon! Ich möchte dir etwas zeigen. Du wirst sehen, dass wir
einander sehr ähnlich sind.“
„ Du und ich, wir sind uns
kein bisschen ähnlich! Wir haben nichts gemein! Gar nichts,
hörst du, denn ich bin ein Mensch, aber du bist ein Monster!“
Überrascht sah Esther sie
an. „Warum denn das? Ich bin ein wenig enttäuscht, denn
ich hatte gehofft, auf eine Kollegin zu treffen, die den Wert meiner
Arbeit zu würdigen weiß. Ich dachte, du würdest mehr
Verständnis aufbringen als dein Bruder Mike.“
Franziska zuckte zusammen, als
hätte man ihr einen Peitschenhieb versetzt. „Du warst das!
Du hast Mike getötet.“ Tränen schossen in ihre Augen.
„ Es ließ sich nicht
vermeiden, dass ich Eno den Befehl dazu gab. Glaube mir, ich habe
alles versucht, deinen Bruder vor diesem Schicksal zu bewahren, aber
er wollte einfach keine Vernunft annehmen. Erst fing er damit an, die
Frauen zu warnen und dann ist er immer aufdringlicher geworden. Er
hat mich sogar angeschrien, als er die Kinder gesehen hat. Darin seid
ihr euch sehr ähnlich. Er hat übrigens auf dem gleichen
Stuhl gesessen, auf dem du gerade sitzt.“
„ Warum?“, flüsterte
Franziska.
„ Verstehst du es wirklich
nicht?“
Ihre Blicke fochten einen stillen
Kampf. Dann gab Esther Eno ein Zeichen. Der packte Franziska und
schob sie in das Labor hinein.
Wieder sah sie sich mit den
Glaskammern konfrontiert, von der jede für sich eine kleine
Versuchseinheit bildete. Insgesamt befanden sich vier Zellen in dem
hochtechnisierten Raum. Zwei der Kammern waren belegt. In den
winzigen Betten schliefen Säuglinge.
„ Du siehst, dass ich alle
Vorrichtungen getroffen habe, damit es den Kindern an nichts fehlt.“
Franziska schnappte nach Luft.
„Das meinst du nicht wirklich? Nicht nur, dass du ihnen
unaussprechliche Qualen zufügst, nein, du nimmst ihnen auch noch
ihre Familien, ihre Mütter. Du stiehlst ihnen die Liebe und
Geborgenheit, die sie so dringend brauchen. Du raubst diesen Kindern
ihre Würde.“
„ Das stimmt so nicht. Ich
lasse sie nicht lange leiden. Sie sind nur ganz kurz hier. Es ist nun
einmal notwendig. Sag mir, was nützt der Menschheit denn deine
so vielbeschworene Liebe, wenn sie durch schreckliche Krankheiten vor
die Hunde geht. Es müssen nun einmal Opfer gebracht werden,
damit sie sich weiterentwickeln kann. Das ist das Gesetz der Natur.“
Esther redete sich in Rage. „Nimm als Beispiel Forelius
pusillus, eine kleine Ameisenart, die in Brasilien lebt. Jeden Abend
verkriecht sich der gesamte Ameisenstaat in seinen Bau, damit er
überlebt. Noch bevor
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