Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
am Montagabend war dieses schlimme Gewitter
am Abend. Da gingen sage und schreibe zweiunddreißig Liter auf uns nieder.
Dienstag waren es nur noch zwei, und seither ist es trocken.«
»Dann muss es wohl am Sonntag
passiert sein, wenn Dr. Puellens Angaben stimmen. Oder vielleicht noch am
Montag.« Hackenholt machte sich eine Notiz auf seiner Schreibtischunterlage.
»Auf jeden Fall müssen wir jetzt erst mal herausfinden, wer der Tote überhaupt
ist.« Er sah Mur fragend an.
»Dabei kann ich euch leider nicht
helfen.« Die Leiterin der Spurensicherung erhob sich von ihrem Stuhl. »Ich habe
die Fingerabdrücke beziehungsweise das, was davon noch übrig war, heute Nacht
schon durch den Computer vom LKA laufen lassen. Kein Treffer. Sie sind nicht erfasst. Der Mann scheint ein
unbescholtener Bürger gewesen zu sein.« Als Mur schon in der Tür stand, drehte
sie sich noch einmal um und deutete mit dem Kuli auf den von ihr mitgebrachten
Aktendeckel, den sie auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. »Mein Kollege
schickt euch ein paar Ausdrucke der Fotos, die er heute Morgen in der
Rechtsmedizin vom Toten gemacht hat.«
Erst nachdem Mur das Büro
verlassen hatte, bemerkte Hackenholt, dass mit ihr auch sein Stift verschwunden
war. Wünnenberg sah ihn grinsend an.
»Mir stibitzt sie eine Kanne
Kaffee, dir den Kuli. Kein Wunder, dass sie so unnatürlich gut gelaunt ist.«
Dann wurde er wieder ernst. »Und was machen wir jetzt? Wohnheime abklappern?«
»Uns wird wohl nichts anderes
übrig bleiben.«
»Dann suche ich mal die Liste
mit den Adressen der Etablissements heraus.« Wünnenberg wandte sich seinem
Computer zu, während Hackenholt den kleinen Stapel Bilder des Toten
durchschaute.
Als sich nach ein paar Minuten
der Drucker mit seinem charakteristischen Summen in Bewegung setzte und Seite
um Seite ausspuckte, sah Hackenholt fragend von den Fotos auf. »Was, um Himmels
willen, druckst du da eigentlich alles aus?«
Wünnenberg warf ihm über seinen
Monitor hinweg einen verwirrten Blick zu. »Na, die Anschriften. Oder weißt du
die Adressen von sämtlichen Obdachloseneinrichtungen in der Noris auswendig?«
»Gibt es denn so viele davon?«
Hackenholt machte eine Bewegung in Richtung des Druckers. »Ich kenne das
Wohnheim in der Großweidenmühlstraße und die Heilsarmee in der Gostenhofer
Hauptstraße und in der Leonhardtstraße. Dann gibt es noch die ›Hängematte‹,
aber die ist für Drogenabhängige, und das ›Sleep In‹ für Jugendliche. Die
letzten beiden kommen in unserem Fall ja wohl nicht infrage.«
»Du warst also noch nie im
›Domus Misericordiae‹ der Caritas in der Pirckheimerstraße?«, fragte Wünnenberg
in übertrieben erstauntem Tonfall. »Das ist eine Notschlafstelle für
wohnungslose Männer. Außerdem gibt es noch fast zwei Dutzend Pensionen, in
denen Obdachlose untergebracht sind, sowie viele angemietete Wohnungen, wobei
dort eher Familien und Paare leben und kaum alleinstehende Männer. Viel
wichtiger ist aber, dass wir auch in der Wärmestube der Stadtmission in der
Köhnstraße nachfragen. Und in der ›Straßenambulanz Franz von Assisi‹ im
Hummelsteiner Weg. Vielleicht können uns auch die Mitarbeiter vom
›Straßenkreuzer‹ in der Glockenhofstraße weiterhelfen, aber dort ist erst
morgen wieder jemand zu erreichen.«
Hackenholt kniff die Augen
zusammen. »Seit wann kennst du dich denn so gut mit Anlaufstellen für Obdachlose
aus?«
Auf Wünnenbergs Gesicht erschien
ein breites Grinsen. »Okay, du hast mich erwischt. Heute Vormittag, während ich
auf dich gewartet habe, habe ich doch die bisherigen Informationen
durchgelesen. Und als mir klar wurde, dass wir uns mit der Obdachlosenszene
befassen müssen, habe ich Manfred auf dem Handy angerufen. Wenn einer eine
Liste dieser Einrichtungen im Computer gespeichert hat, dann er. Da war ich mir
sicher. Ich soll dir von ihm übrigens einen schönen Gruß ausrichten. Er ist
gerade auf dem Rückweg vom Gardasee und hat angeboten vorbeizukommen, sobald er
wieder in heimischen Gefilden ist. Ich habe ihm aber gesagt, dass er seinen
letzten Urlaubstag noch genießen soll und es genügt, wenn wir uns morgen früh
sehen.«
Hackenholt nickte und stellte
wieder einmal fest, wie viel Spezialwissen in dem älteren Kollegen Manfred
Stellfeldt steckte. So viele Fakten, die trotz intensiver Bemühungen keinem
anderen Mitarbeiter der Dienststelle geläufig waren und die wohl mit
Stellfeldts Pensionierung in ein paar Jahren dem Kommissariat
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