Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Samstag
Kriminalhauptkommissar
Frank Hackenholt verwünschte sich innerlich für seine spontanen Ideen – und das
nicht zum ersten Mal. Vor rund drei Monaten hatte er seiner Freundin Sophie ein
Schlemmer-Gutscheinbuch geschenkt, über das er an der Kasse seines
Lieblingsbuchladens gestolpert war. Dabei handelte es sich um eins dieser in
Mode geratenen kleinen Büchlein, die es neuerdings für jede Stadt gab: Neben
diversen Gutscheinen, die niemand einlöste, der nicht gerade zufällig einen
Fallschirmsprung absolvieren, Flugunterricht nehmen oder nach einem neuen
Fitnessclub suchen wollte, stellten sich darin zahlreiche Restaurants der
Umgebung vor und luden mit der Aktion »2 x essen – 1 x zahlen« zu einem
preisgünstigen Kennenlernen ein.
Was Hackenholt, der die Idee mit
dem Gutscheinbuch anfänglich für absolut genial gehalten hatte, beim Kauf
entgangen war, war die Tatsache, dass es in dem Buch nicht nur Gutscheine für
fränkische Lokale mit bodenständiger Küche gab, sondern auch für Mexikaner,
Koreaner, Inder und sogar einen Afrikaner. Allesamt Geschmacksrichtungen, auf
die er gerne verzichtet hätte. Nicht so jedoch Sophie, die in diesem Punkt ganz
unfränkisch war und mit dem größten Vergnügen exotische Speisen ausprobierte.
»Wos der Bauer ned kennd, frissder aa ned.« Der Spruch galt also eher für den
aus Münster stammenden Hauptkommissar denn für die gebürtige Fränkin.
Mittlerweile ärgerte sich
Hackenholt sogar schon darüber, Sophie anstelle des Gutscheinhefts nicht den
»Schäufeleführer« geschenkt zu haben. Ein DIN-A 6-kleines
Büchlein, ganz in den Nürnberger Stadtfarben Rot und Weiß gehalten, das er bei
seinem nächsten Besuch im Buchladen an der Kasse hatte liegen sehen und dem er
nicht hatte widerstehen können.
Zunächst hatte er das Buch für einen Witz gehalten, den bisherigen
Höhepunkt fränkischer Spinnereien. Zwar war ihm absolut bewusst gewesen, dass
Schäufele mit Kloß das fränkische
Nationalgericht war, das sonntags in keiner gutbürgerlichen Küche, die etwas
auf sich hielt, fehlen durfte, doch fand er es zunächst mehr als übertrieben,
deshalb gleich einen solchen Führer zusammenzustellen. Schließlich besaßen die
Bayern auch keinen »Weißwurst-« oder die Schwaben einen »Spätzleführer«.
Hackenholts anfängliches Amüsement hatte sich sogar noch gesteigert, als er
las, dass die darin enthaltenen Restauranttipps von den »Freunden des fränkischen
Schäufele n. n. e. V.« herausgegeben worden waren – wobei »n. n. e. V.« für »noch
nicht eingetragener Verein« stand.
Zu diesem Zeitpunkt war für Hackenholt eins klar gewesen: Er musste
dieses Büchlein kaufen, um es seiner Kollegin Saskia Baumann zu verehren und
damit ihre fränkische Art ein wenig hochzunehmen. Am Abend hatte er zuerst aus
Langeweile, später dann jedoch mit wachsendem Interesse darin herumgeblättert
und beschlossen, die Empfehlungen des Führers selbst auszuprobieren, bevor er
ihn weitergeben würde.
Über die vergangenen Wochen hinweg hatte er das Büchlein – und damit
auch das fränkische Schäufele – so lieb gewonnen, dass er sich nicht nur
ernsthaft überlegte, dem noch nicht eingetragenen Verein beizutreten, sondern dass es ihm auch immer schwerer fiel, sich
zur Abwechslung zwischendurch auf Sophies Gutscheinbuch einzulassen. Die
wenigen Male, die er sich dann doch überwand, nutzte Sophie daher schamlos zu
ihren Gunsten aus: Sie reservierte in Lokalen, in die er sich unter normalen
Umständen zu gehen geweigert hätte. Deshalb saßen sie an diesem Samstagmittag
Mitte Juli nun gemeinsam im Garten eines afrikanischen Restaurants.
Allein die Tatsache, dass es in
Nürnberg eine solche Gaststätte gab, verwunderte Hackenholt. Entweder waren die
Franken doch nicht so eigen, wie ihr Ruf es ihnen nachsagte, oder der Laden
musste ein Geheimtipp unter Kennern sein, da es ihn laut Hinweis in der
Speisekarte bereits seit über zehn Jahren gab.
Sophie war schon restlos
begeistert, als sie die Bedienung sah. Der Ober war so feingliedrig und seine
Haut so dunkel, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Als Hackenholt und
Sophie herauszufinden versuchten, was sich hinter den unbekannten Begriffen auf
der Karte verbarg, lachten die Augen des Senegalesen sie die ganze Zeit über
an, während er in einer verwirrenden Mischung aus Französisch, Deutsch und
Fränkisch antwortete. Schließlich entschieden sie sich für eine große gemischte
Platte, die einen Eindruck der
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