Die dunkle Seite
Personalausweisnummer und tausend andere Sachen. Sie können hier geheimnisvoll durch mein Büro geistern, das imponiert mir nicht. Mir imponiert nur Geld.«
Bathge schwieg und sah sie erwartungsvoll an.
»Entweder Sie geben mir Ihre Anschrift und eine Telefonnummer«, fuhr Vera etwas ruhiger fort, »oder Sie verschwinden und suchen sich jemand anderen.«
Bathge schüttelte den Kopf.
»Ich will niemand anderen. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe das Gefühl, als könnten Sie mir wirklich weiterhelfen. Hören Sie, ich habe meine Gründe, so wenig wie möglich von mir preiszugeben, zumindest, solange ich die Wahl habe. Was halten Sie also ... davon?«
Er legte ein Bündel Geldscheine auf den Tisch.
»Das müßte für zwei Wochen reichen«, sagte er. »Wenn ich danach nicht wiederkomme, stellen Sie Ihre Nachforschungen einfach ein. Damit sind Sie auf der sicheren Seite und ich auch. Was meinen Sie?«
Vera betrachtete das Geld und legte die Fingerspitzen aufeinander. Manchmal war es eben doch wie im Film.
»In Ordnung«, sagte sie.
Bathge lächelte dankbar. Er betrachtete die halbgerauchte Zigarette zwischen seinen Fingern und quetschte sie zu dem Stumpen der anderen in den Aschenbecher.
»Ich sollte damit aufhören«, sagte er. »So was kann einen umbringen.«
Sein Blick fiel auf das Selbstporträt.
»Das sind Sie!« sagte er überrascht.
Er sah Vera an und dann wieder die Zeichnung. Vera verfluchte sich dafür, das Blatt nicht vom Tisch genommen oder gleich in den Papierkorb geworfen zu haben.
»Ja«, stieß sie mürrisch hervor.
»Wer hat das gezeichnet? Entschuldigen Sie die Indiskretion, aber...«
»Ich.« Sie griff danach.
»Darf... darf ich das mal sehen.«
Sie war drauf und dran, ihn rauszuwerfen. Aber seine plötzliche Schüchternheit berührte sie auf seltsame, versöhnende Weise. Anstatt das Blatt verschwinden zu lassen, schob sie es zu ihm herüber.
Er studierte es mit leuchtenden Augen.
»Es ist sehr gut«, sagte er.
»Danke.«
»Aber irgend etwas stimmt nicht. So, als hätten Sie sich nicht entscheiden können, ob Sie lachen oder ernst sein wollen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, der Mund lacht. Alles andere nicht.«
Sie nahm ihm die Zeichnung aus der Hand und starrte sie an.
Bathge hatte recht. Das war es.
»Darf ich Sie was fragen, Herr Bathge?«
»Sicher.«
»Warum wollen Sie Marmann finden?«
»Ich dachte, wir hätten ...« Er hielt inne. Plötzlich schien ihm bewußt zu werden, daß er ihr was schuldig war. Sie hatte ihm ihr Selbstporträt gezeigt. Das war etwas Persönliches, das es auszugleichen galt.
Er stand auf und schloß den mittleren Knopf seines Jacketts. Das Leuchten in seinen Augen war erloschen.
»Damit er mich nicht findet«, sagte er knapp.
12.35 Uhr. Roth
Der Himmel über Köln war wie ein leerer Bildschirm. Jeder Winkel der Stadt kochte. Die vergangenen Stunden hatten Autos, Busse und Bahnen derart aufgeheizt, und viele Kölner zogen es vor, zu Fuß zu gehen, um sich nicht am glühendheißen Steuer die Finger zu verbrennen oder zwischen schwitzenden Leibern erdrückt zu werden. Die Hölle verkaufte sich als Sommerparadies.
Vera behielt ihren Blazer dennoch an. Superleichtes Material, Mikrofaser. Zu teuer eigentlich, aber neu und vielversprechend wie die Entdeckung der Teflonpfanne auf halber Distanz zwischen Erde und Mond. Sie haßte die herüberstarrenden Typen in ihren turbobeschleunigten Bausparkisten. Die Spießer, die sich in ihrer Mittelmä‐
ßigkeit so sehr gefielen. Die Sprücheklopfer mit den öligen Locken, immer zu dritt oder zu viert, im irrigen Empfinden ihrer Unwiderstehlichkeit. Bevor sie in Versuchung geriet, auszusteigen und einem von ihnen die Zähne einzuschlagen, trug sie Arme und Schultern lieber bedeckt. Nichts wäre schlimmer gewesen, als sich entschuldigen zu müssen bei denen, deren hervorstechendstes Merkmal der Brustpelz war.
Sie steuerte das Cabrio über den Neumarkt und redete sich ein, Fahrtwind zu spüren. Es war mehr wie Umluft in einem Backofen, was ihr entgegenschlug. Einen Moment lang erinnerte sie sich, wie es gewesen war, als der Wind mit ihren Haaren spielte, wenn sie offen fuhren, Karl am Steuer und sie mit wehenden blonden Locken daneben.
Es war anders gewesen. Es war Karls Auto gewesen. Jetzt war alles besser, auch der Wagen. Der Boxster gehörte ihr, und er war nicht rot, sondern silbern, und die Haare fielen ihr nicht mehr über die Schultern, sondern waren auf eine einheitliche Länge von
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