Die dunkle Seite
sechs Millimetern gestutzt.
Sie stellte den Boxster im Kaufhofparkhaus ab und lief ein paar hundert Meter zurück in Richtung Neumarkt, bis sie die Tische auf dem Gehsteig sah. An einem saß ein Mittfünfziger und las Zeitung.
Als er sie herannahen sah, legte sich sein Gesicht in tausend entzückte Falten. Er schob die Zeitung in einem unordentlichen Haufen zur Seite und erhob sich andeutungsweise von seinem Platz.
»Vera. Du wirst jeden Tag schöner.«
Sie lachte und ließ sich ihm gegenüber auf einen der Klappstühle fallen.
»Ich werde jeden Tag älter«, sagte sie. »Und spar dir bitte jegliche Dementi.«
Das Restaurant Zur Tant war ein Kompromiß, auf den sie sich geeinigt hatten. Es lag zwischen Veras DeTechtei in der Schaafenstra‐
ße und dem Polizeipräsidium am Waidmarkt. Roth besaß kein Auto und konnte zu Fuß von dort herüberkommen. Das Essen war durchgebraten und preiswert. Es hätte ein idyllisches Plätzchen sein können hier draußen, wenn nicht wenige Meter weiter der Verkehr entlanggebraust wäre.
»Wenn ich mich recht entsinne, bist du achtunddreißig«, bemerkte Roth.
»Ich sagte, ich werde älter, nicht, daß es ein Problem ist. Wie gehtʹs Marga?«
Roth seufzte.
»Nicht so gut. Sie nimmt weiter ab. Der Arzt meint, es sind die Depressionen. Sie mag nichts essen und wird immer knochiger.«
»Ihr solltet endlich in die Stadt ziehen.«
»Das hat der Doktor auch gesagt.«
»Marga braucht ein bißchen Leben um sich rum. In Rösrath geht sie vor die Hunde.«
»Ja«, nickte Roth unglücklich. »Ich weiß. Aber dann müßten wir das Haus aufgeben. Es war immer schön in Rösrath, weißt du noch?«
»Es war schön, solange die Kinder bei euch gewohnt haben. Die alte Leier, Tom. Ihr seid nicht die einzigen, denen es so geht. Marga wollte nie raus aus der Stadt, sie hat es für die Familie getan. Wie wärʹs, wenn die Familie jetzt mal was für sie täte?«
»Tja.« Roth straffte sich und lächelte der Kellnerin zu, die an ihren Tisch gekommen war, dankbar für die Unterbrechung. »Zwei Kölsch dann.«
»Für mich nicht«, winkte Vera ab. »Wasser.«
»Was essen?«
»Nein.«
Roth bestellte einen Salat und wartete, bis die Kellnerin verschwunden war.
»Und du?« fragte er mit der Herzlichkeit verheirateter Vaterfiguren. »Wie gehtʹs dir so?«
Vera überlegte. Wie ging es ihr?
»Ich komme klar.«
»Das ist schön. Gestern habe ich übrigens Karl gesehen.«
Sie schwieg. Das Thema war jedesmal aufwühlend und unangenehm. Aber Thomas Roth war der einzige, mit dem sie über Karl reden konnte, ohne zu Eis zu erstarren.
»Was sagt er?«
Roth grinste. »Er verflucht dich in Grund und Boden. Wenn du mich fragst, ist das besser als die weinerlichen Sprüche, die er noch vor einem Jahr abgelassen hat. Wie leid ihm alles tut und daß er ohne dich nicht leben kann und all den Quatsch.«
»Er ist nur sauer, daß ich den Prozeß gewonnen habe«, sagte Vera achselzuckend.
Die Kellnerin brachte das Wasser. Sie nippte daran.
»Klar ist er sauer«, feixte Roth. »Das Ganze hat ihn einen Haufen Geld gekostet.«
»Ich scheiße auf sein Geld. Es gibt ein paar andere Dinge, die ich gern von ihm zurückhätte, aber ... na egal. Reden wir von was Erfreulicherem.«
»Erfreuliches kann ich im Augenblick nicht bieten. Die Arbeit ist widerlich. Manchmal glaube ich, die Leute murksen sich aus purer Langeweile ab.«
»Genau das tun sie. Tom, ich habe eine Bitte! Ich brauche Informationen über einen Mann. Ihr müßtet eine Akte über ihn haben.«
»Ich soll in die Datenbank?«
»Ja.«
»Hm.« Roth zog die Stirn kraus, was den tausend Falten in seinem Gesicht noch einige hinzugesellte. »Wir haben strikte Order, nichts herauszugeben.«
»Ich weiß.« Vera lächelte ihr liebstes Lächeln. »Die hattet ihr aber doch schon immer.«
»Es betrifft speziell die Zusammenarbeit mit euch Pack von Detektiven, weißt du. Die Kripo hat ihre geregelten Probleme mit Schnüfflern.«
»Aus welchem Film hast du nun wieder dieses Wort?«
»Du weißt, was ich meine. Was sich alleine an ehemaligen Stasileuten in deinem Berufsstand tummelt! Grauenhaft. Detekteien schießen wie Unkraut aus dem Boden. Ihr seid unkooperativ und tanzt der Kripo auf der Nase rum. Letzthin hörte ich wieder, irgendein Fall sei vermasselt worden, weil einer von deiner Sorte seine Finger mit im Spiel hatte.«
»Die Polizei hat Detektive noch nie gemocht. Das ist nichts Neues.
Wer sollte das besser wissen als ich, schließlich habe ich
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