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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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diesem Raum stand ein Tisch aus schwarzem Stein mit Kerzen darauf. Auf drei Seiten des Tisches saßen Männer in schwarz-goldenen Gewändern mit großen steifen Kapuzen wie Mönchskutten. Am Kopf des Tisches, dem nackten Mann gegenüber, saß eine Gestalt, deren Robe samt Kapuze ganz aus Silber war. Er war Luzifer, der Morgenstern, der Prinz der Dunkelheit, der Anführer der Gefallenen Engel. Mit angemessener Feierlichkeit und Höflichkeit hieß er das neue Mitglied willkommen. Hinfort, sagte er, dürfe er das schwarz-goldene Gewand der Gefallenen Engel tragen. Das Gewand wartete auf einem leeren Stuhl auf ihn. Dann gab Luzifer dem Neuling seinen Namen. Von diesem Tag an hieß er Chemosch.

    Die Gefallenen Engel trafen sich in dem Schrein, den le duc fou hatte erbauen lassen. Er lag hinter dem prächtigen Château d’Auxigny. Le duc fou war lange tot, er war dem Gott gegenübergetreten, der er selbst nicht sein konnte, und sein ältester Sohn, der gegenwärtige Herzog, saß zusammen mit seinem König in Paris im Gefängnis.
    Einer der Gefallenen Engel saß nicht an dem schwarzen Tisch, denn er war taubstumm. Luzifer hatte ihm den Namen Dagon gegeben. Er war ein großes, tapsiges Geschöpf mit dem Gesicht eines Idioten. Die schwarz-goldene Robe hing um seine Schultern wie ein königlicher Mantel um einen Tanzbären. Seine Aufgabe war es, sich um das Château d’Auxigny und seinen seltsamen Schrein zu kümmern. Sehr zum Schrecken der Dorfkinder, die über seltsame Dinge im Wald hinter dem Schloss sprachen.
    Als Chemosch in die Kammer eingelassen worden war und sich die Türen hinter ihm wieder schlossen, trug Dagon die Leiche der jungen Frau nach unten. Er streichelte sie, und aus seiner Kehle drangen seltsame Laute. Wenn die Gefallenen Engel gegangen waren und er wieder allein im Château d’Auxigny zurückblieb, würde er die Leiche in den finsteren Wald hinter dem Schrein bringen und sie den Raben und den Geschöpfen der Nacht überlassen. Dort würde ihre Leiche zerrissen und ihre Knochen verstreut werden, und die Überreste würden herabfallende Nadeln bedecken. Sie war nicht die erste junge Frau, die an diesem Ort starb, denn jeder Neuling im Kreis der Gefallenen Engel wurde mit dem Tod eingeführt, und Dagon, der mit seiner großen Hand über ihr noch warmes Fleisch strich, hoffte, dass sie nicht die letzte sein würde.

    Luzifer wies mit einer silbern behandschuhten Hand auf den Wein. «Trink, Chemosch. Nach diesem Hokuspokus brauchst du etwas Wein.»
    Chemosch lächelte. «Hokuspokus?»
    «Natürlich. Der reinste Aberglaube! Aber wir müssen uns schließlich davon überzeugen, dass du glaubst, was du sagst; dass du daran glaubst, dass die Vernunft über dem Gesetz steht und dass ein vernünftiger Mann nichts Böses tun kann. Also jagen wir dir ein bisschen Angst ein und unterziehen dich einer kleinen Prüfung. Das kannst du jetzt vergessen.» Er zuckte unter dem Gewand die Achseln. Sein Gesicht wurde von der herabhängenden Kapuze, die einen schwarzen Schatten warf, vollkommen verborgen, und seine Stimme war heiser und dumpf. Es kam Chemosch vor, als wäre es eine alte Stimme, eine Stimme, die aus langer und bitterer Erfahrung sprach. Nur einmal, als die Kapuze zu Chemosch hin gehoben wurde, konnte der Neuling das Glitzern der Augen sehen, die wie zwei harte silberne Lichter in der Dunkelheit schimmerten.
    Luzifer, dessen Stimme so trocken war wie totes Laub im kalten Wind, sprach über die Ziele der Gefallenen Engel.
    Er sprach davon, dass es bald Krieg zwischen Frankreich und England geben würde, sprach von der Entscheidung der Illuminaten, den Niedergang Großbritanniens zu betreiben.
    Seine Aufgabe habe nichts mit irgendwelchen Armeen zu tun. Frankreich werde kämpfen, und Frankreich werde siegen. Frankreich werde die Republik und die Vernunft nach England bringen. Doch zuerst würden die Illuminaten England von innen verfaulen lassen.
    Er sprach von den britischen Corresponding Societies, welche die Revolution unterstützten und dafür Geld brauchten, Hilfe und Waffen, sprach über die britischen Zeitungen und ihre Schreiberlinge, die jede Bestechung annehmen und jedes Gerücht verbreiten würden.
    Dann kam er zu diesem «verrückten dicken König», der entthront werden würde, zu den Skandalen an höchster Stelle, den Abscheulichkeiten, mit denen die britischen Staatslenker und Aristokraten besudelt werden würden, bis das britische Volk kein Vertrauen mehr in seine Regierung haben und die

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