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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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ging das Gerücht, dass die Illuminaten sich in der ganzen zivilisierten Welt ausbreiteten wie ein unsichtbarer Fleck.
    Ihnen war das Licht der Vernunft gegeben. Sie standen über dem Gesetz, waren die Zukunft. Sie würden die Welt aus der dunklen Pracht des Aberglaubens in die Helligkeit eines Planeten führen, der vom Intellekt regiert wurde. Der Orden der Erleuchteten wollte eine neue Religion gründen, die die Vernunft verehrte, und eine weltumfassende Republik schaffen. Frankreich hatte den Weg gewiesen; Frankreich hatte bewiesen, dass die alten Monarchien und die alten Gottheiten zerstört werden konnten.
    Der nackte Mann war seit fünf Jahren Mitglied des Illuminatenordens. Jetzt war ihm eine größere Ehre angetragen worden. Er durfte den Gefallenen Engeln beitreten.
    Die Gefallenen Engel waren nicht der einzige Geheimbund innerhalb der Illuminaten. Jede Gruppe hatte eine spezielle Aufgabe zu erfüllen. Genau wie die Kavallerie einer Armee vorausritt, um die Lage zu erkunden und den Feind mit kurzen, heftigen Attacken zu verwirren, so bereiteten die Geheimgruppen der Illuminaten den Weg für das kommende Zeitalter der Vernunft. Die Gefallenen Engel planten jetzt einen solchen Angriff, und der nackte Mann war für eine spezielle Aufgabe auserkoren. Zuerst jedoch musste er diese Prüfung bestehen.
    Wenn er die Prüfung nicht bestand, würde er sterben. Allein dadurch, dass er an diesen Ort gekommen war, hatte er zu viel über die Gefallenen Engel erfahren. Bestand er die Prüfung, so bekam er einen neuen Namen, den Namen eines Gefallenen Engels – eines dieser strahlenden Geschöpfe, die sich gegen Gott aufgelehnt hatten, die den Krieg im Himmel ausgefochten hatten und mit dem Teufel in die bodenlose Grube der Niederlage gestürzt waren. Die Gefallenen Engel betrachteten die Namen derer, die es gewagt hatten, sich gegen Gott zu erheben, als Symbole ihrer eigenen Rebellion gegen Religion, Aberglauben und Regierung.
    Wieder erhob sich ein Flüstern. «Wie heißt du?»
    Er nannte seinen Namen.
    «Was besitzen die Gefallenen Engel?»
    «Vernunft.»
    «Gehorchen sie dem Gesetz?»
    «Sie machen das Gesetz.»
    «Gehorchen sie dem Gesetz?» Das Flüstern klang ein wenig verärgert.
    «Nein.»
    Stille. Die Kerzenflammen strahlten ruhig. Einige wenige, deren Dochte nicht geschnitten waren, zitterten, dünne Rauchfäden stiegen in die Luft, die die Decke der runden Nische, in der alle Kerzen brannten, schwärzten. Die Nische, deren hintere Wand verspiegelt war, führte wie ein eingelassener Sims ganz um die Basis der Kuppel herum.
    Das Flüstern war in dem runden Raum wie ein Seufzen. Dann erhob sich eine Stimme über die anderen. «Was ist böse?»
    «Schwäche.» Der nackte Mann hatte seine Antworten nicht geprobt, doch sein Bürge, einer der drei Männer, die ihn befragten, hatte ihm erzählt, was er zu erwarten hatte. Es konnte der Tod sein.
    «Was ist die Strafe für Schwäche?»
    «Der Tod.»
    «Wie heißt du?»
    Er sagte es ihnen. Stille breitete sich aus.
    Er spürte wieder das Frösteln der Angst, doch er hielt den Kopf aufrecht, starrte auf den geäderten Glanz der gebogenen Marmorwände und versuchte auszumachen, woher die Stimmen kamen.
    Wieder erklang das Seufzen, wie ein Wind, den man von ferne nur halb vernahm, und erstarb in der Stille.
    Der Boden war aus grünem und blauem Marmor; er maß rund zwölf Meter im Durchmesser und war von insgesamt vier weißen Marmorstufen eingefasst, die zu einem Mosaik hinaufführten. Die Wände wurden von Säulen, Girlanden und verschlungenen Basreliefs geziert, hinter denen sich überall die Öffnungen verbergen konnten, aus denen die Stimmen kamen. Obwohl die Kammer verschwenderisch ausgestattet und hell erleuchtet war, schien etwas zu fehlen, als müsste inmitten ihrer kalten Pracht eigentlich ein Thron oder ein großer Katafalk stehen.
    «Wie heißt du.»
    Er antwortete.
    «Tötet ihn.»
    «Tötet ihn.»
    Statt sein Todesurteil zu bestätigen, flüsterte die dritte Stimme, er solle die Augen schließen.
    Der nackte Mann gehorchte. Er konnte nichts hören, doch plötzlich zog ein Hauch kühlerer Luft fröstelnd über seine Haut, als wäre ein Grab geöffnet worden.
    Dann hörte er Schritte, hörte nackte Füße auf dem Marmorfußboden. Sie näherten sich ihm langsam, und er musste gegen den Wunsch ankämpfen, die Augen zu öffnen. Er zitterte, wollte sich aus der Mitte des Raums losreißen und vor den langsamen, sanften Schritten, die immer näher kamen, davonlaufen. Er

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