Die dunklen Farben der Begierde (German Edition)
sie das Haus verlassen hatte.
Nach einigem Nachdenken war sie darauf gekommen, dass es sich hierbei nur um einen Plan handeln könnte, den die junge Miss ausgeheckt hatte, um im Geheimen ein bisschen Zeit mit ihrem neuen Liebhaber zu verbringen. Vielleicht war es ja das, wofür Alicia die Französin und Ellis bezahlte. Er sollte Tante Hester beschäftigen, während sie bei allem für Deckung zu sorgen hatte, was Clarissa tat. Aber ganz stimmig schien das auch nicht, und die ganze Sache beschäftigte Kitty ziemlich. Sie konnte sie einfach nicht aus dem Kopf bekommen, und den ganzen Vormittag über war sie im Haus herumgeschlichen, um den Diener und Pascale irgendwo zu überraschen.
Jetzt stand sie auf dem Treppenabsatz, ohne dass sie gesehen werden konnte, und lauschte angestrengt dem Gespräch, das gerade an der Eingangstür geführt wurde. Es war Mr. Gabriel Ardenzi, Clarissas Liebster, und Ellis erzählte ihm irgendwelche Lügenmärchen davon, dass Clarissa sich nicht wohl fühle. Da hatte Kitty wohl recht gehabt mit ihrer Wachsamkeit!
«Wie ich Euch sagte, Sir», sagte der Diener steif. «Mehr zu sagen bin ich leider nicht befugt. Aber ich versichere Euch, dass es nichts Schlimmes ist. Miss Longleigh wird sich nur ein wenig zu schonen haben. Wenn Ihr eine Nachricht für sie hinterlassen wollt, werde ich dafür sorgen, dass sie sie umgehend erhält.»
«Nun denn, eine halbe Krone», ertönte die andere Stimme.
Kitty bemühte sich, einen Blick zu erhaschen. Sie sah vorsichtig über die Brüstung und entdeckte die schlanke dunkelhaarige Gestalt, die dort unten im Türrahmen stand. Herrje, sah der süß aus.
«Sir», entgegnete Ellis. «Es ist mir äußerst unangenehm, es offenbar noch deutlicher sagen zu müssen: Ich lasse mich nicht bestechen.»
«Fünf Shilling also», legte Mr. Ardenzi nach und ließ das Geld in seiner ausgestreckten Hand klimpern.
«Die Ehre derjenigen, denen ich diene, bedeutet mir mehr als Geld», entgegnete Ellis großspurig.
Und noch eine Lüge, dachte Kitty. Was zum Teufel ging hier vor?
Gabriel dankte dem Diener und wünschte ihm knapp einen guten Tag, nachdem er angekündigt hatte, am nächsten Tag wiederzukommen. Als Ellis die Tür geschlossen hatte, machte sich Kitty bemerkbar.
«Ich dachte, sie sei bei Mrs. Singleton», sagte sie und kam die Treppe herunter.
Ellis drehte sich rasch um und hatte Mühe, einen Anflug von Verärgerung in seinen Augen zu verbergen.
«Das ist sie», gab er zurück. «Aber wenn ich ihm das erzählt hätte, wäre er sicherlich dorthin gegangen. Miss Longleighs Ruf könnte ruiniert werden, wenn bekannt wird, dass ihr solcher Pöbel nachstellt.»
«Ich fand ihn ganz nett», sagte Kitty verteidigend.
Ellis lächelte und versperrte ihr den Weg. «So, dir gefällt also dieser südländische Typ, was? Erzähl mir, was magst du noch bei einem Mann, Pretty Kitty?»
«Gute Manieren gefallen mir», fauchte sie ihn an und versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen.
«Langsam, langsam», sagte er besänftigend und parierte ihre Ausweichversuche. «Ich möchte doch nur mit dir reden. Wir kennen uns doch kaum, oder?» Er legte ihr seine Hände auf die Schultern. «Das finde ich gar nicht gut, gerade wenn man so zusammen unter einem Dach wohnt und es oft auch gar nicht viel zu tun gibt –»
«Das mag für dich gelten», antwortete sie und schüttelte heftig seine Hände ab.
«Ach, Kitty. Würdest du nicht gern mal ein bisschen Zeit mit mir verbringen?», gurrte er und streichelte mit einem Finger über ihre Wange. «Ich finde, du bist eine bemerkenswert anziehende Frau. Schon von Anfang an.»
«Geh mir aus dem Weg», sagte sie. Sie rammte ihm eine Schulter gegen den Brustkorb und bahnte sich ihren Weg.
Ellis blieb zurück und seufzte sehnsüchtig. «Du bist grausam, Kitty. Einfach grausam.»
Sie durchquerte schnell die Eingangshalle und fühlte dabei seinen begehrlichen Blick in ihrem Rücken. Dieser schleimige Lackaffe wollte versuchen, sie rumzukriegen, mit ihr dasselbe zu machen wie mit Tante Hester, damit sie ihnen nicht im Weg wäre. Nun, da musste er sich schon ein bisschen mehr einfallen lassen, wenn er dachte, dass sie auf so was reinfiele.
Unten in der Küche schwitzte und schimpfte die Köchin an ihrem Herd, während Pascale herumwuselte und sich beschwerte, dass jemand ihre Teeration gestohlen habe. Der Hausbursche, der gerade das Silber und die Gläser aufpolierte, beobachtete sie schweigend und mit finsterem Gesicht. Niemand mochte Pascale.
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