Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Konstantinos’ Antwort ab, bevor sie eintrat.
Zwar saß er aufrecht im Bett, war aber nach wie vor bleich, und seine Augen lagen immer noch tief in ihren Höhlen. Ein Unverschnittener hätte inzwischen ein Stoppelkinn gehabt, doch sein Gesicht sah sonderbar blass und weich aus.
» Wie geht es Euch?«, erkundigte sie sich.
»Besser.« Sie sah, dass er müde war.
Sie legte ihm die Hand auf die Stirn, um die Temperatur zu prüfen, dann fühlte sie seinen Puls und nahm erneut die Haut auf dem Unterarm zwischen Daumen und Zeigefinger. Zwar war Konstantinos nach wie vor verschwitzt und schwach, aber der Puls ging gleichmäßig. Als sie sich erkundigte, ob er noch Schmerzen habe, trat Manuel mit der aufgewärmten Suppe und dem Brot ein. Sie setzte sich ans Bett und führte Konstantinos die Hand, während er aß. Dabei bereitete sie sich innerlich darauf vor, ihm die Fragen zu stellen, auf die sie unbedingt Antworten haben wollte.
»Bitte esst«, ermunterte sie ihn. »Wir brauchen einen Bischof, der bei Kräften ist. Ich möchte keinesfalls unter der Herrschaft Roms leben. Damit würde ein großer Teil dessen zerstört, was ich für richtig und unendlich wertvoll halte. Es ist eine wahre Tragödie, dass man Bessarion Komnenos ermordet hat.« Sie zögerte. »Glaubt Ihr, dass Rom dabei seine Hände im Spiel hatte?«
Er öffnete die Augen weit, und seine Hand mit dem Löffel verharrte in der Luft. Dieser Gedanke war ihm offensichtlich noch nicht gekommen. Sie sah, dass er nach einer Antwort suchte.
»Eine solche Möglichkeit hatte ich nicht erwogen«, räumte er schließlich ein. »Vielleicht hätte ich das tun sollen.«
» Wäre das nicht den Interessen der Römer nützlich gewesen? «, fasste sie nach. »Bessarion war ein entschiedener Gegner der Union. Hätte er kraft seiner Abstammung aus kaiserlichem Hause unter Umständen einen Glaubensaufstand des Volkes anführen können, um diese Union zu verhindern? «
Er sah sie nach wie vor fassungslos an. Die Suppe hatte er vollständig vergessen. »Habt Ihr jemanden davon reden hören?«, fragte er leise. In seiner Stimme lag ein unüberhörbarer Anflug von Furcht.
» Wenn ich dem römischen Glauben anhinge und von dem Wunsch beseelt wäre, etwas für diesen Zusammenschluss zu tun, sei es aus religiösen Gründen oder aus Ehrgeiz, würde ich eine Führungspersönlichkeit wie Bessarion nicht gern sehen«, sagte sie mit Nachdruck.
Ein sonderbarer Ausdruck, in dem sich Überraschung und Argwohn mischten, trat auf Konstantinos’ Züge.
Sie fuhr fort: »Wäre es Eurer Ansicht nach denkbar, dass Ioustinianos Laskaris im Solde Roms gestanden hat?«
»Nie und nimmer«, sagte er ohne das geringste Zögern. Dann hielt er inne, als habe er sich zu rasch festgelegt. »Zumindest ist er der Letzte, dem ich das zugetraut hätte.«
Sie musste die günstige Gelegenheit unbedingt nutzen. » Welchen Grund hätte er Eurer Ansicht nach sonst haben können, Bessarion zu töten? Bestand zwischen ihnen irgendeine Art von Rivalität? Oder war Geld im Spiel?«
»Nein«, sagte er und schob das Tablett beiseite. »Es gab zwischen ihnen weder Hass noch Konkurrenzdenken, zumindest nicht von Ioustinianos’ Seite. Und auch um Geld
ging es nicht. Er war wohlhabend, und sein Vermögen hat sich von Jahr zu Jahr vermehrt. Soweit ich zu sehen vermag, hat er ganz und gar auf der Seite Bessarions gestanden und ihn in seinen Bemühungen gegen die Union unterstützt. Mitunter hatte ich den Eindruck, dass Ioustinianos für die Sache mehr getan hat als jener.«
»Gegen den Zusammenschluss mit Rom?«
»Gewiss.« Der Bischof schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass er den Römern in die Hände gespielt haben soll. Er war ein Ehrenmann und meiner Ansicht nach weit mutiger und entschlossener als Bessarion. Deshalb habe ich mich beim Kaiser dafür verwendet, dass er die Todesstrafe in Verbannung umwandelte. Zwar besteht kein Zweifel, dass sein Boot dazu gedient hat, die Leiche zu beseitigen, doch das kann ohne sein Wissen geschehen sein. Antonios hat die Tat gestanden, aber Ioustinianos nicht als Mitschuldigen bezeichnet.«
»Und wie sieht Eurer Ansicht nach die Wahrheit aus?« Sie konnte die Sache jetzt unmöglich auf sich beruhen lassen und kam auf das zu sprechen, was sie am meisten bedrückte. »Könnte es mit Helena zu tun gehabt haben?«
»Ich glaube nicht, dass Ioustinianos etwas für Helena empfunden hat.«
»Sie ist sehr schön«, gab Anna zu bedenken.
Der Bischof wirkte
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