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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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seinen jungen Kollegen, Pelleton hatte ihn darum gebeten. Deshalb lud er sich jetzt manchmal die Talente, seine Nachfolger, in die Normandie ein, um über die Arbeit zu diskutieren, über das Reporterleben und seine goldenen Regeln, und natürlich auch, um gemeinsam ausgiebig zu essen und zu trinken. Kirchner mochte diese Workshops, er hatte sich, beruflich wenigstens, nichts mehr zu beweisen.
    Gummistiefel , dachte Kirchner, ich brauche unbedingt Gummistiefel .
    Er musste auf einen Stuhl steigen, um das Paar grüner Aigle -Stiefel aus einem oberen Schrankfach zu holen; er trug sie selten, in der Normandie fast nie. Er ging barfuß ins Watt und auch in die Wiesen. Eigentlich mied er es, Schuhe zu tragen, sooft es ging, und noch heute, da er längst ein erwachsener Mann war, wiederholte sein Vater manchmal die tausendfach ausgesprochene Warnung der Mutter aus den fernen Kindertagen, er werde sich mit seinen nackten Füßen ganz gewiss eine Erkältung holen und sich die Nieren entzünden.
    Der Alte hatte drunten inzwischen das Radio aufgedreht, Aznavour sang Emmène-moi au bout de la terre , nimm mich mit bis ans Ende der Welt. Der Vater sang mit, Kirchner summte.
    Er trug seine Reisetasche nach unten und schenkte sich eine zweite Tasse des chinesischen Kaffees ein.
    »Hast du die Nummer von Bouchot?«, fragte er.
    Der Vater hielt sie ihm auf einem abgerissenen Stück Zeitungspapier hin.
    »Und? Was sagt der alte Bouchot?«, fragte Kirchner.
    »Er sagt, dass es dieses Jahr schlecht aussieht mit den Austern.«
    »Na ja, und weiter?«
    »Sein Sohn wird sich freuen, dich zu sehen, sagt er.«
    »Sehr gut, auf dich ist Verlass, George, wie immer.« Und nach einem weiteren Schluck aus der Tasse schaute er den Vater angewidert an und sagte: »Also dieser Kaffee … wenn er frisch ist, schmeckt er wunderbar, und jetzt, keine zwanzig Minuten später, hat er was von Schweiß, oder?«
    Der Vater schüttelte den Kopf. »Weißt du, Antoine«, sagte er bedächtig, »manchmal denke ich, du spinnst.«
    Kirchner nickte grinsend und ging mit dem Zettel und dem schnurlosen Telefon vor die Tür, auf die Landseite des Bauernhofs.
    Über den Feldern und Hügeln stieg eine blasse Sonne, auf den Wiesen standen nah und fern die Kühe in einem Schleier aus roséfarbenem Dunst. Ein paar Traktoren zogen schon durch die Felder, über den Kaminen der Bauernhöfe standen dünne Rauchsäulen.
    Kirchner setzte sich auf eine der Steinbänke, die unter schönen Bögen in die Fassade des Hauses eingelassen waren.
    Von dort aus war rechter Hand der Obsthain des Vaters zu sehen, alte, gedrungene Bäume in vier geraden Reihen, die feste, kleine Boskopäpfel trugen, aus denen jedes Jahr Konfitüren, Kuchen, Chutneys, Cidre und Calvados wurden. Zur Linken des Eindachhofes streckte sich der lange Stall hin, in dem schon lange keine Tiere mehr standen, die Mauern und Eisenbeschläge der Stallung waren umrankt von Kletterrosen, davor scharrte das Dutzend Hühner im Boden. Hinten an der großen Kastanie, die den Gemüsegarten beschattete, unter dem die Gewölbe des Weinkellers lagen, rissen die beiden Ziegen, die der Vater nach den militärischen Codenamen der Landungsstrände getauft hatte, Utah und Omaha an ihrer Schnur. Geradeaus ging der Blick weit ins Land hinein, in die Bocage, auf deren Landstraßen noch immer Pferdefuhrwerke unterwegs waren und alte Bauern mit Säcken voller Nüsse auf dem Rücken ihrer Wege gingen.
    Kirchner wählte die achtstellige Nummer, sie begann mit 06, ein Mobilanschluss. Nach dreimaligem Läuten war die Stimme von Bouchots Sohn zu hören.
    »Hallo, Pierre? Hier ist Antoine Kirchner, dein Vater hat mir deine Nummer gegeben, wie geht’s?«
    »Antoine?«, fragte der junge Bouchot. »Na, das ist eine Überraschung! Grade neulich bin ich bei euch vorbeigefahren und wäre fast hereingeschneit, aber ich hatte dann doch keine Zeit. Wie geht’s deinem Vater?«
    »Gut, gut, geht alles seinen Gang bei uns, dein Vater ist auch wohlauf, der sorgt sich nur um seine Austern.«
    »Es ist jedes Jahr das Gleiche«, sagte Pierre Bouchot amüsiert. »Aber deswegen rufst du doch bestimmt nicht an. Also, womit kann ich dir helfen?«
    »Ich habe heute Morgen erfahren, dass man den Finanzminister irgendwo vor Cap Ferret tot aus dem Meer gefischt hat.«
    »Ach du lieber Gott! Das ist … also … das ist ja gar nicht gut.«
    »Ich mache mich grade auf den Weg, um der Sache nachzugehen. Wir könnten nachher zusammen ein spätes Mittagessen teilen, ich

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