Die Ecstasy-Affäre
sie sonst reagieren? Es ist ihr Job. Ein Mistjob!
Er blieb mit seinem zweiten Cocktail, den er selbst bezahlte, bis gegen elf Uhr in der Bar. Und er gehorchte sogar, als Ulrike zu ihm sagte: »Nun sollten Sie aber wirklich gehen, Robert.«
Er nickte, und sie nahm es mit einem deutlichen Aufatmen auf. »Sehe ich Sie morgen im Schwimmbad?« fragte er.
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn nicht, bin ich morgen abend wieder hier.«
»Das ist fast Erpressung …«
»Das ist nur ein Wunsch.« Er gab ihr die Hand und hielt sie länger fest als bei einem normalen Abschied. »Sie sind meine sphärische Trigonometrie.«
»Was bin ich?«
»Die Untersuchung der Beziehungen zwischen Seiten und Winkeln von Kugeldreiecken … Das hätte ich heute pauken sollen. Mathe! Aber Ihre Cocktails waren besser und für mich wertvoller. Bis morgen …«
Er ließ ihre Hand los, lachte in ihr ratloses Gesicht und verließ die Bar. Im Vorraum traf er wieder auf den Türsteher, den Ulrike Bolo genannt hatte. Der Muskelberg sah ihn böse an.
»Nun kennen Sie mein Gesicht«, sagte Robert, während Bolo die Tür aufschloß. »Beim nächsten Mal also keine lange Diskussion …«
»Das warten wir mal ab.« Bolo riß die Tür auf. »Mach 'ne Fliege … Die frische Luft wird dir guttun …«
Kaum hatte Robert die Bar verlassen, schälte sich aus dem schummerigen Hintergrund eine Gestalt und kam an die Theke. Es war ein südländischer Typ mit krausen schwarzen Haaren und einem dünnen Oberlippenbärtchen. Er lehnte sich an die Bar und wartete, bis Ulrike einen Gast bedient hatte.
»Wer war denn das?« fragte er mit italienischem Akzent.
»Wer?« fragte Ulrike zurück.
»Stell dich nicht so dämlich an, Ulla! Der junge Wichser, der gerade gegangen ist.«
»Ein Gast.«
»Du hast dich fast nur um ihn gekümmert.«
»Ist mir nicht aufgefallen.«
»Stehst du jetzt auf junge Spritzer?«
»Verdammt noch mal, er war zum erstenmal hier!«
»Bolo sagt, du kennst ihn.«
»Bolo ist ein Idiot!« erwiderte sie böse.
»Sei vorsichtig, Ulla. So 'n Junge lohnt sich nicht … Der fällt dir nach der ersten Runde aus dem Bett. Aber er könnte wache Augen haben. Kein Risiko, Madonna, auch wenn's juckt.«
»Du kannst mich mal!« fauchte sie, während sie einige Gläser zusammenschob.
»Immer, wenn du willst.« Er lachte und trommelte mit den Fingern auf die Theke. »Salvatore ist stets bereit.«
Er winkte ihr zu und verschwand wieder im Halbdunkel der Bar, wo er sich an die Wand lehnte und die Gäste beobachtete.
Er hieß Salvatore Brunelli und kam aus dem Dörfchen San Marco in den Bergen um den Rocca Busambra, in der Nähe der Stadt Corleone auf Sizilien. Beruf: Elektriker.
Zweifellos ein bemerkenswerter Mann.
»Es kommt nicht alle Tage vor, daß man einen solchen Wink bekommt: Es sind zwanzig Kilogramm reines Heroin unterwegs. Von Vietnam über Polen nach München.« Mehr sagte der unbekannte Informant nicht, keinen Treffpunkt, keine Zeitangabe, nur: »Da kommt was.«
Für Kriminalhauptkommissar Peter Reiber vom Rauschgiftdezernat der Münchner Kripo bedeutete diese vage Meldung Alarmstufe eins. Für ihn stand außer Zweifel, daß es eine echte Nachricht war und kein übler Scherz, was er auch schon oft genug erlebt hatte. Anonyme Anrufe sind immer mit Vorsicht zu behandeln. Im Dienstzimmer vom Chef des Dezernats fand deshalb auch eine schnell einberufene Konferenz statt.
»Die Stimme des anonymen Informanten hatte einen östlichen Akzent.« Hauptkommissar Reiber hob bedauernd die Schultern. »Leider haben wir das Gespräch nicht mitgeschnitten; wir können ja nicht jeden Anruf auf Band nehmen. Es könnte sich also durchaus um einen Polen handeln. Ich frage mich nur, warum ein Pole einen solchen Millionen-Deal verrät, wenn es sich um eine vietnamesisch-polnische Aktion handelt. Und auch das ist neu: Vietnam. Wie bekannt, läuft der Rauschgiftschmuggel über drei große Schienen: die italienische Mafia, chinesische Triaden und die Russen-Mafia. Nun kommen die Vietnamesen noch dazu, vorausgesetzt, die Information trifft zu. Dann hätten wir es mit einer neuen Gruppe zu tun, die mit aller Brutalität ins Geschäft drängt. Mit anderen Worten: München bekommt einen neuen Kriegsschauplatz. Es könnte uns also noch allerhand bevorstehen.«
»Außer dem Telefongespräch haben wir keine anderen Hinweise?« fragte der Chef des Dezernats.
»Nichts. Nur: Zwanzig Kilogramm Heroin sind unterwegs.«
»Das heißt, sie können auch längst in München
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