Die Edda - Die Edda
ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
zum Liebesumgang
verleite nie
des andern Eheweib!
10
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
willst du wackre Maid
zur Minne bereden
und begehrst du Gunst von ihr,
verheiß ihr holdes
und halt dein Wort!
Nie wird schönes verschmäht.
11
Kosten sah ich
den Kopf einem Manne
falsches Frauenwort;
tückische Zunge
hat ihm den Tod gebracht
und unwahre Anschuldigung.
12
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
wackern Mann
erwirb dir als Freund,
im Leben mach dich beliebt!
Denn ein wackrer Mann
kann gewinnen dir
Beliebtheit durch sein Lob.
13
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
übelm Mann
sollst du anvertrauen
niemals deine Not.
Denn von schlechtem Manne
wird dir schwerlich je
Gutes vergolten werden.
14
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
hast du einen Freund,
dem du fest vertraust,
geh oft, ihn aufzusuchen!
Denn Gesträuch wächst
und starkes Gras
auf dem Weg, den kein Wandrer geht.
15
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
deinem Freunde
sollst die Freundschaft du
nie zuerst aufsagen;
Kummer quält dich,
wenn du keinen hast,
dein Innres auszuschütten.
16
Das ist echte Freundschaft,
kann man dem andern sagen
all sein Inneres;
kein wahrer Freund ist,
wer nur Erwünschtes sagt,
am gefährlichsten Falschheit ist.
17
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
Worte wechseln
sollst du wahrlich nicht
mit törichtem Tropf.
18
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
Scheltworte tauschen
sollst du mit Schlechterem nie:
oft bleibt der Bessere,
wenn der Schlechtere schlägt.
19
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
geschieht dir Schaden,
sprich es als Schaden an,
gib nicht Frieden dem Feind!
20
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
freue dich
am Frevel nie,
strebe gern dem Guten nach!
21
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
Hohn und Spott
habe niemals
mit dem Fremdling und Fahrenden!
22
Oft ahnen nicht,
die innen sitzen,
welcher Art der Ankömmling;
so trefflich ist keiner,
daß kein Tadel hafte,
und zu etwas sind alle gut.
23
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
nicht schilt den Fremdling,
treib ihn nicht fort ans Tor,
sei hilfreich dem hungernden!
24
Stark sei die Tür,
soll sie stets sich drehn,
allen sich aufzutun;
gib einen Ring,
sonst ruft man dir
alles Böse herbei!
25
Ich rate dir, Loddfafnir -
den Rat nimm an!
Er nützt dir, vernimmst du ihn;
er frommt dir, befolgst du ihn -:
des grauen Sprechers
spotte niemals:
gut ist oft Greisenwort!
Anmerkungen
Die oben hergestellte Ordnung der Strophen ergibt diese Gruppen: Vorsicht auf der Reise, beim Trunk, beim Nachtlager, im Handwerk und in der Schlacht (1-6); das Verhalten zu Frauen (7-11); die Pflege der Freundschaft, die Wahl des Umgangs (12-20); die Behandlung des Fremden (21-25). 4 7 Die »Örtchen« lagen außerhalb der Wohngebäude. 5 Die Lehre weist auf Zustände, wo das Handwerk noch nicht zum Gewerbe geworden ist. 16 Eigentlich: »das ist wahre Mischung der Bruderschaft« - im Hinblick auf die äußere Förmlichkeit, die Mischung des Blutes zwischen Schwurbrüdern. 21 7 Der »Fahrende« ist einfach der Wandrer, der über Land Ziehende: die Fahrenden im altdeutschen Sinne, d. h. die Spielleute, sind der Welt der Edda vollkommen unbekannt. 24 Eine im Urtext schwierige Strophe. Nach der obigen Übertragung ist der Sinn: unbegrenzte Gastfreiheit kann bedenklich werden; aber finde wenigstens die Einlaßsuchenden mit einem Geschenk ab. 25 5 Des alten Weisen, Spruchkundigen. Man ahnt den Dichter selbst dahinter.
19. Das dritte Sittengedicht
D ieser dritte Spruchweise macht den Eindruck eines Nachzüglers. Wir sind hier in ein ganz anderes
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