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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Handy funktionierte nicht richtig, warum auch immer. Egal. Sie würde es über das Festnetz probieren, nachher. Erst einmal ausruhen, essen, spazieren gehen.

255
    Marxer bekam Hunger. Wohl weil Vika in ihrem Bericht von dampfenden, saftigen Pfannkuchen schwärmte, an einem Stand nahe des Hafens von St. Helier verzehrt, gerade als Ebbe war und die Boote wie die Fische auf dem Trockenen im tiefen Hafenbecken lagen, ein bizarres Bild.
    »Ich bin einfach so herumgebummelt, weißt du.« Sie duzte ihn! Marxer nahm es wohlwollend zur Kenntnis. Er hatte Vika noch nie gesehen, aber ihre Stimme... Von wo aus telefonierte sie gerade? Er sah auf die Uhr: kurz nach elf. Deshalb der Hunger. Lag sie verführerisch auf dem Hotelbett? Saß in einem Café? Flanierte herum? Er hätte sie gerne gefragt, was sie anhatte, das machte man so im Internet, wusste er, hieß Cybersex, war lächerlich. Marxer stand auf, ging zum Schreibtisch, wo sein zweites Handy lag, wählte sich durch die Nummern von Oxana bis Klein, niemand meldete sich. Äußerst merkwürdig, äußerst beunruhigend. Er sagte es Vika.
    »Hm, ja, da stimmt etwas nicht. Ich mache mir langsam Sorgen.« Sie richtete sich auf, eine Frau in Unterwäsche, das Hotelzimmer war überheizt. »Wo bist du im Moment?«, fragte Marxer und in seiner Stimme lag ein Anflug von Lust. Vika lächelte. »Ich sitze im Café, ziemlich kalt hier, ich kann nicht einmal den Mantel ausziehen.« »Ach so«, sagte Marxer, hörbar enttäuscht. »Immerhin kannst du dich ein paar Tage schön erholen. Wann kommst du zurück?«
    »Nein«, antwortete Vika, »es wird nichts mit dem Erholen.« Sie erzählte weiter. Von ihrem Ausflug zum Hafen, von den leckeren Pfannkuchen mit Sirup, die Küche ist eine Mischung aus England und Frankreich, also Krieg und Frieden, Tod und Geburt, Adolf Hitler und Mutter Teresa, sehr interessant. Aber das nur nebenbei. Sie habe einen Weg bergan genommen, sei in die Natur geraten, auf Wiesen, wo zu wärmeren Jahreszeiten die berühmte Jerseykuh weidet, ein Exportschlager der Insel. Schöne Aussicht von da oben auf das Meer, die Palmen, überhaupt das Südländische. Anwesen, die »The Carpentier House« heißen, alles friedlich, keine Menschen, keine Tiere. Vika ließ sich treiben, nahm einen Weg den Berg hinunter, gelangte – es war schierer Zufall – wieder zum Friedhof, entschied sich, das Grab Le Pernacs noch einmal zu besuchen, es zu fotografieren. Wenn sie schon nichts Neues an Ergebnissen, an Spuren vorzuweisen hatte, dann wenigstens ein Foto.
    Sie fand das Grab nach einigem Suchen. Zwei Personen standen davor, ein Mann mittleren Alters, gut gekleidet, er konsultierte in Sekundenabständen sei ne Armbanduhr, wirkte nervös, beinahe ärgerlich, er sah der anderen Person, einer jüngeren Frau, zu, die mit einem Lappen, den sie immer wieder in einen kleinen Topf mit Flüssigkeit tunkte, den Grabstein säuberte. Vika ging, den Blick abgewandt, an beiden, am Grab vorbei, tat so, als suche sie etwas, ein anderes Grab. Der Mann – wieder blickte er zur Uhr – sagte ungeduldig: »Jetzt mach schon, hör auf, schöner wird’s nicht.« Sagte es auf Deutsch. Und die Frau, sie mochte so alt sein wie Vika, gut gekleidet auch sie, gut frisiert, nicht übertrieben, antwortete ebenfalls auf Deutsch: »Jetzt krieg dich mal wieder ein, er ist schließlich mein Vorfahre.«
    Interessant. Vika schlenderte Richtung Ausgang, blickte sich um. Kein Fahrzeug, die beiden mussten zu Fuß gekommen sein. Es gab nur einen Weg zurück in die Stadt, den mussten sie nehmen. Vika ging ihn bis zur nächsten Abzweigung nach, hier standen schon Häuser, hier gingen Menschen, hier gab es ein paar Geschäfte, einen Fischladen etwa, in dessen Auslage die üblichen Leichen auf ihre Käufer warteten. Im Scheibenglas konnte man sehen, dass die beiden Besucher des Grabes jetzt näher kamen. Der Mann lief voraus, er hatte es eilig, die Frau – sie trug Stiefel mit halbhohen Absätzen – hinterher balancierend. Sie gingen an Vika vorbei, beachteten sie nicht. Die Detektivin ließ ihnen zwanzig Meter Vorsprung, folgte ihnen dann. Es war eine Spur. Vielleicht.

256
    Bevor Vika ihren Bericht fortsetzen konnte, meldete sich Marxers zweites Handy, ein nach dem Zufallsprinzip eingestellter Klingelton, Johann Sebastian Mozart in einem Dieter-Bohlen-Remix. »Moment«, sagte der Autor ins erste und nahm das Gespräch an. »Bist du der Macker von Oxana? Der Schreiberling? Was’n los, ey? Is meine Mum bei euch? Die

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