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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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lächelte mich an und packte Gänsebraten, Sahnetorte und einen Rest Kebab in Folie, verstaute alles in einem Plastikbeutel und reichte ihn mir mit der Geste einer Komplizin. »Er ist ein arrogantes, egoistisches, untalentiertes Arschloch. Wir sind uns einig?« Ich lauschte den rollenden Rs nach. »Sie verstehen unsere Sprache?« Oxana lachte ein gutturales Lachen. »Klar, aber sagen Sie es bitte dem impotenten Schmierfinken da drinnen nicht.« Ich versprach es und sie gab mir einen Kuss aufs rechte Ohr.
    Ich marschierte los und rechnete. Zuerst nach Hause, dann schnell an der »Bauernschenke« vorbei, von dort aus zu Hermines Wohnung. Das würde geschätzte 35 Minuten dauern, somit musste ich alle fünf Minuten einen Whiskey dazu bringen, seine Macht über meinen Geist und Körper frei willig aufzugeben. Ein paar Alka Seltzer und Aspirin zur Unterstützung meines Anliegens würden nicht schaden.
    Zuhause steckte ich den Krimi in die Tüte mit den Essensresten, sie war groß genug, auch noch den Plüschosterhasen für Jonas zu fassen. Ich schluckte die Alkas und die Aspirins, fuhr mir mit dem Waschlappen übers Gesicht, putzte meine Zähne mehrmals und verließ die Wohnung. Es war dunkel und kalt, ein Dienstagabend im Winter eben, voll mit den üblichen Idioten, die der Beschaffung von Weihnachtsgeschenken einem Stresstest unterzogen und gedankenverloren auf der Suche nach Sonderangeboten waren, die sie zu nichtweihnachtlichen Zeiten nicht einmal mit dem Arsch angeschaut hätten.
    Die »Bauernschenke« war geschlossen, obwohl sie das laut Aushang nicht hätte sein dürfen. Dafür hing ein hastig mit Kugelschreiber verfasster Schrieb an der Türscheibe, »wegen Trauerfall heute zu«. Ich dachte »so, so« und wandte mich zum Gehen. »Tja«, sagte eine Stimme neben mir, »das hat die Mädels schwer getroffen. Der gute, arme Lothar.«
    Ich drehte mich um und schaute auf einen zerrupften Kaninchenpelz.

45
    »Ich sehe alles«, kicherte die Alte – hieß sie nicht Irmi? – und schlenkerte ihr Einkaufsnetz jungmädchenhaft durch die Kälte. Wann hatte ich zuletzt eine äl tere Dame, überhaupt einen Menschen mit Einkaufsnetz gesehen? Es musste mehrere Ewigkeiten her sein und berührte mich sehr.
    Irmi fischte ein Päckchen Zigaretten aus den Tiefen des ehemaligen Kaninchens und hielt es mir hin. »Sie rauchen doch auch, ja? Sie waren am Samstag im Lokal und haben fünf oder sechs Glühwein getrunken und immer zu dem erleuchteten Fenster da drüben gestarrt.« Ich fühlte mich ertappt. Irmi sah wirklich alles, selbst wenn sie die Augen geschlossen und eine geschätzte halbe Hundertschaft Eierlikör intus hatte.
    Wir rauchten. Aus dem Pelz roch eingetrockneter Eierlikör, gar nicht mal so schlecht, wie ich feststellte, besser jedenfalls als Erbrochenes. Irmi paffte wie ein Bierkutscher, hustete zwischendurch und gönnte dem Margarinewürfel und der Großpackung Papiertaschentücher in ihrem Einkaufsnetz eine Runde Kettenkarussell. »Sie müssen nämlich wissen«, ließ sie mich wissen, »dass ich das Beobachten damals im Audimax der Freien Universität Berlin gelernt habe, das muss 67 gewesen sein, noch vor dem Schahbesuch, und es war immer Tumult, wenn Rudi redete. Sie kennen Rudi?«
    Ich kannte Rudi. »Tja«, machte Irmi und zog eine melancholische Schnute, »das war noch einer. Aber das Frauenbild von denen, oh je, oh je. Ich war ja mit meinem Studium fast fertig, Anglistik, Germanistik und Soziologie, aber ich wusste: Irmi, da draußen läuft ein Typ rum, du kennst ihn noch nicht, er kennt dich noch nicht, aber ihr werdet euch kennenlernen und dann wird er dir zuerst den Kommunismus erklären und später einen dicken Bauch machen und du wirst bügeln und einkaufen, kochen und waschen, wickeln und erziehen, während ER durch die Institutionen marschiert und Professor wird oder Staatssekretär, irgend so ein bürgerliches Schwein halt, und für dich war das Studium nichts weiter als Privatvergnügen, es sei denn, er lässt dich sitzen oder du ihn und dann gehst eh putzen.«
    »Und«, fragte ich, »sind sie einander begegnet?« Irmi lächelte mich an. »Schön, dass sie ‚einander’ gesagt haben, das erinnert mich an mein Hauptseminar Rainer Maria Rilke. Nein! Das heißt: ja! Ich bin Hunderten von denen begegnet, aber keiner hat mich rumgekriegt. Na ja, rumgekriegt vielleicht, Sie wissen schon. Mein Bauch ist flach geblieben. Trotz Landkommune und Baghwan und selbstverwaltetem Buchladen und makrobiotischer Ernährung.

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