Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
aus. Waffen der Frau. Sollte die immer parat haben, denn da draußen herrschte Krieg. Kurz nach halb sieben, eine warme Welle lief jetzt über Oxanas Körper, wenn sie an Moritz dachte – nein, nicht wegen Moritz, nicht einmal wegen Vika, obwohl.... Oxana lächelte. Vika. Sehr schön. Aber nein. Sie hörte Vikas Stimme, vorhin beim Telefonieren. Er hat mich zum Essen eingeladen, sieben Uhr, es läuft alles bestens. Natürlich lief alles bestens, es lief immer alles bestens, wenn Oxana etwas dirigierte. Sie schleuderte sich die Haare aus dem Gesicht und verließ das Badezimmer.
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Verführungskünste
Eigentlich ein patenter Bursche, dieser Moritz Klein. Hat sogar Tischmanieren. Das Restaurant war winzig, „schnucklig“, dachte Vika und schaute fasziniert, wie die junge maîtresse de la table (heißen die so? Man scheut sich, „Bedienung“ zu sagen, aber Vikas Französischkenntnisse waren erschreckend rudimentär) den Rosé entkorkte, so geschickt, so elegant, so effizient. Klein probierte weltmännisch Kennerschaft heuchelnd, behielt den Schluck im Mund, spülte ihn hin und her, sagte zur maîtresse: „bon“.
Vika verstand ihr Geschäft. Sie erzählte eine unverfängliche Geschichte mit vielen Andeutungen. Beruflicher Stress und private Turbulenzen, der spontane Entschluss, dem Alltag zu entfliehen (kitschig-doofe Formulierung, was solls), die zufällige Wahl des Ortes – „Ob Sie es glauben oder nicht, aber in der Bahnhofsbuchhandlung vor dem Ständer mit den Reiseführern. „St. Malo“, das war der erste, der mir ins Auge fiel. Ich hab sofort zugegriffen.“ Machte er den Eindruck, er glaube das? Oder nicht? Schwer einzuschätzen. Man musste ihn näher kennenlernen.
Auch Moritz erzählte eine Geschichte, nicht weniger unverfänglich, nicht weniger dreist erfunden. Er kenne die Stadt aus Jugendzeiten und habe aus nostalgischen Gründen.... Anfänger, dachte Vika, aber ohne Häme, auf die gutmütige Art.
Sie hatte Moritz die Menüwahl überlassen und der, sehr überfordert, „Menu 1“ gewählt. Es begann mit einem Vorspeisenteller, dessen Details man lieber nicht erfragte, schmeckte aber köstlich. Sie erzählte den Witz mit dem Gast, dem Kellner und den Froschschenkeln, er lachte pflichtgemäß, sie sahen sich eine Sekunde zu lange in die Augen. Jetzt aufpassen, dachte Vika, anspitzen okay, leichte erotische Tönung, 6 Volt höchstens wie die Batterie einer Fernbedienung. Fernbedienung. Ha, ha.
Fernbedienung? Ach da liegt sie. Helga griff in den Kissenberg, fischte das Kästchen heraus, wies damit auf den Fernseher. „Das ist das einzige Video von uns Vieren. Also wir beide, Lothar – und SIE.“ SIE. Hermine und Irmi hielten die Luft an. Endlich. Sie hatten das Gespräch auf das entwendete Fotoalbum gebracht, wer weiß, was da für private Aufnahmen... etwas freizügig vielleicht... Monika hatte geseufzt. Naja, eine halt, das sei schon peinlich. Sah aus, als würden sie... und wären... halt lesbisch oder wenigstens bi. Wegen der Frau. Wegen IHR. Lothar hatte die angeschleppt. Ausflug ins Grüne, ganz harmlos. Kurzes Handyvideo, nur so aus Jux. Nein, wie die hieß? Helga? Wie hieß die? Helga wusste es auch nicht mehr. Eine hübsche Frau halt, ein herrliches Picknick mit viel Wein und dann... peinlich halt. Lothar hatte sie regelrecht abgefüllt, sie waren heimgegangen, also hier in die Wohnung, heiß sei es gewesen und plötzlich alle nackt. Schäm.
Das Filmchen, auf die DVD gebrannt. Die beiden Mädchen, Lothar, SIE. „Oh mein Gott“, flüsterte Hermine, Irmi sah sie fragend an. „Kein Zweifel. Das ist sie. Sonja Weber.“
Sonja Weber. Oxana hatte an sie denken müssen, denn Tamara erinnerte sie an die scheue junge Frau. Sie lagen im Bett und rauchten. „Hättest du mal Lust auf einen Dreier? FFF. Wenn du Bock hast meinetwegen auch FMF.“ „Nö“, paffte Oxana, „keinen Kerl bitte. Nicht zufrieden gewesen?“ Tamara wandte die Kuscheltaktik an. „Quatsch, Süße, so war das nicht gemeint. Alles prima, alles bestens, ein richtiges Fünf-Gang-Menü.“
Die maîtresse servierte endlich den Hauptgang, etwas das wie Fisch aussah, etwas, was wie Kartoffeln aussah, etwas, das in einem anderen Leben Gemüse gewesen sein mochte. „Ich hoffe, es schmeckt Ihnen": Moritz. Vika: „Ich bin davon überzeugt.“ Es war an der Zeit, ihm das Du anzubieten. Oder doch noch nicht? Lieber noch nicht. Er war noch nicht reif dafür, noch nicht
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