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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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halt.
    Vika sah auf die Uhr, es war fünf Minuten nach sieben, Moritz würde warten, sollte er nur. Sie verließ das Bad, die High Heels klackten artgerecht. Lange hatte sie mit sich gerungen, welche Schuhe sie wählen sollte zu diesem eher unspektakulären Kleid, dessen Saum die Knie umspielten. Schwarze Strumpfhosen? Nylons? Oder die Beine nackt, bequeme Schuhe? Sah auch gut aus, aber dann hatte sich Vika doch für die Heels entschieden, also auch für Nylons, hauchdünn mit akkurater Naht. Nicht verführen, oh nein. Sie musste ihn auf Distanz halten. Schon erotisieren, klar, das musste man immer bei Männern. Aber eben: Distanz. Das war der Job, deshalb war sie hier. Sie nahm die kleine dunkelgraue Handtasche, überprüfte ihren Inhalt – was, Frauen wissen das, wiederum eines zehnminütigen Aktes bedurfte -, atmete noch einmal kräftig durch und ging nach unten ins Foyer.
     
     
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    „Ach du hundsverfluchte hirnverquirlte Scheiße.“ Hermine beobachtete die Bewegungen ihres Mundes im Badezimmerspiegel. Hatten da nicht zwar kleine, aber tiefe, sprich unübersehbare Fältchen in den Winkeln gezuckt? Und nicht nur das, waren sie nicht auch in impertinentester Manier sichtbar geblieben, als der kleine Satz schon längst zu Ende war? Sie wiederholte die Übung, noch langsamer, noch akzentuierter, die Stimme klang dabei ziemlich grotesk. „Aaaaach-duuuuuu-hundzzzzzzzzz-värrrrrrrrr-fluuuuuuuuu---.“
    Fältchen. Sie dachte fatalistisch: Na klar, so ist das halt, wenn man älter wird. Kein Botox, niemals. Das war etwas für die reichen Ladies mit den auf ewig jungen, halbjährlich ausgetauschten Betthüpfern, Hermine jedoch hatte einen Mann, der getreulich mit ihr alterte und jetzt – sie konnte nicht anders, sie musste an ihn denken, sah ihn vor sich, Moritz, in einem tristen Hotelzimmer, einsam und alleine, keine Frau, die sich schön für ihn machte, vor dem Badezimmerspiegel stand, wie Hermine ihre Wangen puderte, den Lippenstift vorsichtig nachzog, den Lidschatten auftrug, ein vorwitziges Härchen mit der Pinzette aus dem rechten Nasenloch eliminierte. Sie trat einen halben Schritt zurück – für einen ganzen war das Badezimmer entschieden zu klein – und betrachtete sich das Ergebnis mit jener nur Frauen eigenen Mischung aus Zufriedenheit und Skepsis, weiblicher Souveränität und bröckelndem Selbstvertrauen, dachte an Irmi, die in einer halben Stunde kommen, sie abholen würde. Zusammen würden sie die Wirtsschwestern besuchen, ganz privat, denn die Bauernschenke hatte heute ihren Ruhetag, und dann musste man die Mädels weiter ausfragen, nach dem entwendeten Fotoalbum und warum es so wichtig sein konnte, nach den Bildern, dem einen vor allem, das mit den nackten Zwillingen und der dritten, ebenfalls nackten Unbekannten. Genau.
    Hermine warf einen letzten Blick in den Spiegel, fand sich erträglich, tröstete sich mit dem Gedanken, dass eh keines Mannes Blick sie taxieren würde, schon gar nicht der des Geliebten, dann kleidete sie sich an – bloß nichts Erotisches, wärmen musste es und nun ja, etwas Erotisch durfte es schon sein, aber das spielte keine Rolle,
    nein, dachte Irmi und hörte auf, die Fältchen in ihrem Gesicht zu zählen, das spielte alles schon längst keine Rolle mehr, hätte auch nie eine spielen dürfen, man war doch eine aufgeklärte Frau – zugegeben in einer nicht aufgeklärten Welt – und stand erhaben über den Visualitäten, die doch nur dazu dienten, der Frau zu schmeicheln, um sie gefügig zu machen, sprachlos – verdammt, dachte Irmi, das Licht hier im Bad ist entschieden zu hell, es plappert die Geheimnisse aus, die man doch gar nicht wissen möchte, die Geheimnisse vom Verfall des Fleisches – ach geh, Mädchen, das sind doch keine Geheimnisse.
    Ein wenig Rouge legte sie dann doch auf, als Kontrast zum Schnee draußen. Gleich sieben Uhr, sie musste Hermine abholen. An Hermine dachte sie gerne, eine neue Freundin, eine, die so wie sie war, nein, anders, nein, besser, nein, Punkt: anders halt. Irmi lächelte. Ihr Gesicht glänzte nach Kernseife und es roch auch so. Die andere war auch nicht übel, Oxana, die Russin, die Kasachin. Leider konnte sie nicht mitkommen zu den Zwillingen, sie hatte zu tun, was sehr zu bedauern war,
    aber nicht zu ändern, dachte Oxana und befeuchtete ihre Lippen. Sie trat zwei Schritte zurück – das Badezimmer in Marxers Villa war so groß, dass sie auch vier Schritte hätte zurücktreten können – und fixierte sich. Sah nicht schlecht

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