Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
legten.
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„Internierung“, schlug A vor. B unterbrach das Zerkauen seines mit hauchdünnem Parmaschinken belegten Brötchens, total Bio hier alles, die beste Brunch-Location der ganzen Stadt, absolute Diskretion, geschultes Personal. „Internierung?“ Er fragte es ungläubig, doch wie er das Fragezeichen ans Satzende malte, klang es so, als überlege er bereits, wie das zu bewerkstelligen sei. War ja kaum mit dem Grundgesetz vereinbar, oder doch?
A lächelte. „Sie ewiger Jurist.“ Damit neckte er ihn oft. Diese nervigen Typen mit ihrem unnützen Jurastudium. Er liebte Süßes am Vormittag, trotz seiner alarmierenden Blutwerte. Gibt guten Zucker, gibt schlechten Zucker, beruhigte er sich. Wenigstens hier, bei den Kohlehydraten auch, galt noch die alte bewährte Dichotomie von Gut und Böse, beim Fressen und in den Krimis. Er las nie Krimis. Er inszenierte gerade einen. Endzeitkrimi. Wenn möglich, ohne Blutvergießen und ohne allzu viel Gewalt. Gut, konnte man nicht für garantieren.
„Internierung“, wiederholte er und liebäugelte mit einem Marzipanhörnchen. „Hausarrest“, sagte B jetzt, „wie die Tante in Burma oder Birma oder wie das heißt. Die mit dem Nobelpreis. Klappt doch ganz gut bei denen.“ Das Mädchen hinter dem Müslibüffet hatte was. So frisch und scheu, eine Kreuzung aus Duschgel und Bambi. Er würde ihr seine Visitenkarte zustecken, wusste nur noch nicht, welche. Die mit dem doppelten Doktortitel oder besser die mit den drei Buchstaben nach der Namen? Schwer einzuschätzen, die Kleine. Mehr Intellektinteressiert oder machtgeil? Lieber akademisch gepoppt oder parlamentarisch gevögelt?
„Hausarrest ist prima“, lobte A. „Und rechtlich unbedenklich, nehme ich an.“ Er griff nach dem Marzipanhörnchen, freute sich aufs Reinbeißen. Besser als Sex inzwischen und machte weniger Komplikationen. Die Kleine hinter dem Müslibüffet. B fuhr auf sie ab, sah man deutlich. War schließlich eine von seinen Mitarbeiterinnen, eine Hospitantin der Bereitschaftstruppe. Bereit. Er grinste. Breit. Er stellte es sich vor. Schmeckte vielleicht auch nach Marzipan.
„Wir besorgen ein diskretes Anwesen auf dem Land“, malte er sich die Sache aus. Prima, das Marzipanhörnchen, der andere aß auch eins. So musste ein Orgasmus sein. „Mittlerer Luxus, gute Verpflegung, die modernsten Geräte der Unterhaltungselektronik. Das Haus wird hermetisch abgeschirmt, völlig sichere Sache.“
Jetzt aßen sie schweigend. Wirklich angenehmes Ambiente hier, gar nicht zu vergleichen mit der nüchternen Zweckatmosphäre des Büros. Beide hatten sie den Mund voller Blätterteig und Marzipan, heute Abend würden sie sich im Fitnessroom erneut begegnen, um die Sünden des späten Vormittags abzuarbeiten. Fünfzig Situps, zwanzig Minuten treten auf dem Fahrrad. „Ich besorge das Haus“, versprach A. „Dann kümmere ich mich um die Unterbringung der Zielpersonen. Einziges Problem: Einer von uns ist mit dabei. Der Parolenschwengel des Bundeskabinetts.“ „Hm“, machte A. Er kannte den Kerl flüchtig. Zuverlässig eigentlich. „Ich rede ihm ins Gewissen, vielleicht taugt er als Maulwurf. Wenn nicht – jeder ist zu ersetzen.“ „Hm“, machte jetzt B. Langsam verebbte der Marzipangeschmack im Mund. Verebbte? Naja, konnte man sagen. Sein Schwanz juckte, das war im Moment angenehmer. Wie sich die Kleine bewegte. Doch die Doktor-Visitenkarte, die Titel waren ja echt, einmal Jura, einmal Philosophie, den hatte er drangehängt, wo er schon mal beim Promovieren war. „Sie heißt übrigens Margarethe“, sagte A. „Eine von ihren?“ Schade, dachte B, das wird zu leicht. „Nein, nein“, log A, „ich hab mal gehört, wie sie jemand so gerufen hat. „23 höchstens, würde ich schätzen, intelligente Augen, wahrscheinlich Studentin. Haben Sie die Wohnung in der Kaiserstraße noch?“ Hatte B. Das Liebesnest. War natürlich von A's Leuten verwanzt worden, aber scheiß drauf. Sollten die sich auch die Videos angucken, wenn er... „Also Hausarrest?“ A nickte. „Hausarrest. Schönes Wort.“
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Jetzt müsste man die Zeit anhalten können, dachte Irmi. Wie friedlich sie schliefen! Gut, dass sie ein Doppelbett hatte und die Gästecouch im Wohnzimmer. Mirjam und Mohamad lagen, schicklich angezogen und fein säuberlich voneinander getrennt, im Bett, da war nichts passiert, da hatte man vielleicht daran gedacht, aber war stark geblieben. Gleichmäßiges, tiefes Atmen. Langsam schloss Irmi die
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