Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
not always a Casanova behind a Venice mask.“ Seltsam. Nicht einmal die Stimme verriet einem, ob Männlein oder Weiblein. Die Hand wanderte vom Rücken abwärts zur Taille. Ich muss mir nur leicht nach links drehen, dann das rechte Bein anwinkeln, hochziehen, noch etwas nach links drehen und schon gibt es bei dieser Person, wenn sie ein Mann ist, ab sofort Spiegelei zum Frühstück. Dachte Vika. Und tat es nicht. Vielleicht war es ja eine Frau. Na und?
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Er hatte völlig vergessen, dass heute sein Geburtstag war. Machte die Arbeit, machte der Stress der letzten Tage, außerdem wurde er älter, auch ohne Geburtstag. Die Bundeskanzlerin hatte es auch vergessen, obwohl man sie doch sonst an alles erinnerte. Nicht einmal ein besonderer Händedruck, kein Blumenstrauß, natürlich nicht. Sondern – die Begrüßung ein wenig zu gleichgültig? Sah sie ihm dabei in die Augen? Nein, aber das hatte nichts zu bedeuten. Sie wirkte erschöpft. Er suchte nach Anzeichen dafür, dass sie irgendetwas WUSSTE.
Ja, in Ordnung, das fragten sich viele in diesem Land. Manche hielten sie für die Personifizierung der Windkraft, weil sie sich pausenlos zu drehen schien, ohne indes wirklich Energie zu erzeugen. Manche dachten auch bei dieser Gelegenheit an die Windmühle des Don Quichote und freuten sich, dass wenigstens der liberale Sancho Pansa langsam aus der traurigen Geschichte geschrieben wurde. Mauritz Kriesling-Schönefärb schlich an seinen Platz, neben sich den Bundesentwicklungshilfeminister, den Mann mit dem Käppi und dem Nichts darunter. Wenn ich jetzt in die FDP einträte, dachte Kriesling-Schönefärb, würde ich auch sofort Minister oder wenigstens Staatssekretär.
Er fühlte sich unbehaglich, unbehaglicher als sonst. Suchte in seiner Aktentasche nach den Notizen, die er sich auf dem Rückflug gemacht hatte, lauter hübsche Slogans zur Volksberuhigung. „Was uns nicht umbringt, macht uns stärker. Also Rettungsschirm.“ Appellierte an die Blut-Schweiß-und-Tränen-Mentalität der Deutschen, war eine willkommene Gelegenheit, später sagen zu können, wie schwer man selbst es doch gehabt habe im Leben. „Ja, es wird regnen und wir werden den Schirm aufspannen. Aber es wird keine Überschwemmung geben!“ Ein vielleicht zu kompliziertes Bild für deutsche Gehirne. Aber egal, vorschlagen würde man es können. Kriesling-Schönefärbs Favorit jedoch war „Wir sind Macher, also machen wir.“ Ja! Kurz! Knapp! Zack! Keine Widerrede! Er warf dem Mann mit dem Käppi einen kurzen Seitenblick zu, nickte unmerklich. Ausrufezeichen, das wirkte immer. „Wir sind Macher! Also machen wir! Zack!“ Das würde SIE in die Kameras sagen und genau das war das Problem, denn sie konnte keine Ausrufezeichen sagen. Das Ausrufezeichen ist die erigierte Form des einfachen Punktes, der Punkt in höchster Erregung, gewissermaßen, der Punkt vor dem Erguss. Hatte sie einfach nicht drauf. Fragezeichen konnte sie noch weniger. Fragezeichen sind Ausrufezeichen nach dem Höhepunkt, kurz bevor sie zur Normalgröße des Punktes einschrumpfen. Sie besaß kein Talent für so etwas. Sie würde es lernen müssen.
Seine Kehle war trocken, das Wasser, das er trank, machte alles nur noch schlimmer. Langsam trudelten sie ein, sehr schweigsam heute, in sich versunken, die Augen der anderen meidend. Sie wissen es, durchfuhr es Kriesling-Schönefärb, sie wissen es. Oder ahnen es. Die Bundeskanzlerin kramte in ihrer Handtasche, zog eine Packung Tempos heraus, legte sie neben sich auf den Tisch. Hatte sie Schnupfen, eine Erkältung? Nichts davon gemerkt vorhin. Aber sie hatte auch nichts gesagt. Nur kurz genickt, kein Guten Morgen, kein... Als der Finanzminister in den Raum rollte, wurde es still. Er sah sich um, sein Blick streifte Kriesling-Schönefärb, kehrte zu ihm zurück, fixierte ihn, nagelte ihn an die Wand. Er weiß alles. Natürlich, was sonst.
Das Kabinett war nun vollzählig, das übliche Rumoren ausgeblieben, die Stimmen, wenn überhaupt gesprochen wurde, weit unter dem Normalpegel. Die Kanzlerin sah zu ihrem Finanzminister, der nickte. Und tat, was es sonst nie getan hatte: Er ergriff das Wort, noch vor IHR. Ließ noch einmal seinen Blick wandern, verharrte bei Kriesling-Schönefärb, der zu schwitzen begonnen hatte. Dann begann der Finanzminister zu sprechen: „Ich schlage vor, dass Herr Kriesling-Schönefärb den Raum verlässt.“ Er glaubte nicht richtig gehört zu haben. Alle Blicke waren jetzt auf ihn gerichtet. Er stand auf,
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