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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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vielleicht mach ich mal ne Reportage drüber. Seit ich schwul bin, eröffnen sich mir da ganz neue Horizonte.“ „Du bist schwul?“ Ich zeigte mich erschüttert. Perschau lachte. „Schwul ist heutzutage jeder, ein emotionales Must-Have, wenn du verstehst, was ich meine. Natürlich nur theoretisch.“
    Ich hatte keine Lust, das Thema weiter zu diskutieren. „Hm. Da biete ich dir die Story deines Lebens – und du?“ Perschau exte sein Bier, rülpste und hielt das leere Glas wirtwärts, von wo ein „Sauft langsamer, alter Mann is ja kein D-Zug“ kam. „Unglaubliche Geschichte“, musste Perschau zugeben, „fällt leider nicht in mein Ressort. Ich mach Lifestyle, Events und Krimikritik.“ „Krimikritik? Du liest?“ Perschau lachte abermals. „Wenn ich lesen würde, wär ich Literaturkritiker, capito?“
    Ich nickte bitter. Dafür interessierten sie sich in dieser Republik, für zungenküssende Altdiven und Krimis. „Ach geh“, wiegelte Perschau ab, „ich glaub dir ja. Ganz schlimm. Vielleicht kann ich unseren Politikredakteur anspitzen. Was soll noch mal abgeschafft werden? Kann aber ne Weile dauern, die Politikredaktion macht gerade den Leserwettbewerb DICHTEN MIT POLITIKERNAMEN, Frau Merkel ist kein Euroferkel, Westerwelle liebts auf die Schnelle und so. Hast auch nen Reim?“ „Steinbrück“ sagte ich nur. „Das reimt sich aber nicht richtig, du ordinäre Sau“, bedauerte Perschau.
     
     
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    Ein Schlag ins Wasser. Ich erzählte die Geschichte noch einmal, die vereinfachte Version in Schlichtdeutsch für Journalisten. Perschau machte sich Notizen auf dem Bierdeckel und zwischendurch obligatorische „Hört, Hört“. „Das ist ja fast so heftig wie der Skandal mit der Katzenberger. Du kennst die Katzenberger?“ Ich kannte sie nicht. „Die mit den Möpsen, ey! Und da soll der rechte kleiner sein als der linke, Pfusch beim Operieren, tz, also wie schräg ist das denn!“
    Es war aussichtslos. In meiner Verzweiflung erfand ich Reime mit Politikernamen – Klaus Wowereit ist abends breit, Renate Künast lacht nen Ast und Katja Kipping macht gern Petting – „Wer ist Katja Kipping?“ fragte Perschau, doch die Antwort interessierte ihn schon nicht mehr. Ich zahlte meine Zeche und verließ den ollen Paule, der mir ein „Nächstes Mal aber mit Trinkgeld, bitte!“ nachrief, meine Beine waren schwer, die Wolken am Himmel bedrohlich, ich kaufte eine Brezel, die so schlaff war wie die Möpse von dieser Katzenberger, wenn ich das richtig verstanden hatte, leistete mir eine Currywurst, aß sie im Gehen, rempelte Leute an, wurde von Leuten angerempelt, eine Jungschauspielerin mit Kussauftrag war nicht darunter, wenigstens eine Spur von Glück.
    Was konnte ich noch tun? Mich an eine knallbunte Boulevardzeitung wenden, „Bei Elfensexorgien wird unser Geld gefickt“, so las ich schon die Schlagzeile. Mich in eine der unzähligen Fernsehtalkshows einschleichen, mit gezogenem Revolver auf die Bühne springen und das Wort ergreifen, bis man es mir – „Unsere Sendezeit ist leider abgelaufen“ – wieder entzog? Oder ganz einfach resignieren, sofort zur Bank und mein bisschen Geld abheben, in Sachwerte investieren – ich brauchte eine neue Kaffeemaschine – und allen anderen Beteiligten raten, es ebenfalls zu tun? Danach ein Loch im Wald buddeln, Plastiktüte übern Kopp ziehen, ins Loch setzen und abwarten? Oder alles vergessen, mir vorsagen, die da oben wüssten schon, was sie tun, es sei halt schwer alles, schier aussichtslos, besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen?
    Ich stellte mir vor, wie das, was gerade in der Welt geschah, nichts weiter sei als eine große Tragödie, die auf verschiedenen Bühnen parallel zueinander inszeniert wurde, wo nichts synchronisiert war, aber alles ineinander griff und sich gegenseitig beeinflusste, wo die dramatischen Bögen ein Eigenleben führten und machten was sie wollten. Es gab die Bühne der Finanzpolitik, des Neoliberalismus, der Staatsverlotterung, der politischen Agonie und, ja, auch die gab es, die Bühne des ganz normalen täglichen Lebens, auf der ein Schurkenstück gespielt wurde, es gab sogar die Bühne der Wut und Entrüstung, wo sich in Griechenland und Spanien die Menschen empörten und in Großbritannien Läden abfackelten, um Flachbildfernseher zu stehlen. Es gab keinen Regisseur, aber jemand musste es machen, die Politiker, heillos überfordert, die Spekulanten, heillos happy, weil sie schalten und walten konnten, wie sie wollten.

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