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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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ihr „Die Aktien sind sicher“ und verschwanden mit einem Lächeln, das so aufmunternd geraten war, dass sich verzweifelte Journalisten im Saal in die vorsorglich mitgebrachten Schwerter stürzten.
    Da, am rechten Bildrand – das war doch... Mauritz Kriesling-Schönefärb, kein Zweifel, weiß wie eine Wand, ungeschminkt und schwitzte wie ein Schwein, wenn Schweine schwitzen könnten. Die Journalisten packten ihre Gerätschaften, sammelten die Freitoten ein und zogen still von dannen.
    Als dann die Moderatorin des Frühstücksfernsehens verkündete, alle Banken hätten eine Woche lang geschlossen und ihre Geldautomaten deaktiviert, um das Fest des Heiligen Spekulatius ausgiebig zu feiern, war ich bedrohlich nahe an meine Kotzgrenze gekommen. Die Riege der führenden deutschen Jungschauspielerinnen, inklusive Iris Berben und Senta Berger, erfuhr man sogleich, sei in die Fußgängerzonen der Republik ausgeschwärmt, um kostenlose Zungenküsse und Lose der Aktion Sorgenkind zu verteilen. Ein typisches Ablenkungsmanöver, schon klar, und die Vorstellung eines Senta-Berger-Kusses trieb mich endgültig aus dem Sessel und dorthin, wo der liebe Gott uns ein lauschiges Örtchen für Notdurften aller Art eingerichtet hat.
    Ich musste handeln. Ich wusste nicht mehr weiter, alles schlug über unseren Köpfen zusammen, es waren Mächte am Werk, die weit größer waren als wir. Ich durfte nicht zusehen, obwohl ich nichts lieber getan hätte, als meine Sachen zu packen und in den dunkelsten, einsamsten Wald zu ziehen, mir eine Höhle zu graben, mich von Beeren zu ernähren und abzuwarten. Warten auf was? Nein, raff dich auf, Moritz. Ich musste an die Öffentlichkeit, mein Wissen preisgeben. Ich schlug eine Telefonnummer nach und begann zu wählen.
     
     
    282
    Lutz Perschau ist der beste Journalist, den ich kenne. Ich kenne auch sonst keinen. Wir sind uns vor Jahren in der Altstadt über den Weg gelaufen, als Lutz noch in der Lokalberichterstattung tätig war und das mit dem Lokalen irgendwie mit Kneipen verwechselte, was man ja oft in dieser Branche hört. Kein unebener Charakter. Dass er für unser hiesiges Käseblatt schmiert, kann man ihm nicht vorwerfen, es gibt eben kein anderes in dieser Wüste der freien Berichterstattung. Immerhin schreibt Lutz Perschau stets die Wahrheit, wenngleich man sagen muss, dass es eine Wahrheit ist, von der man stets zwischen 1,3 und 2,5 Promille abziehen muss. Mich hat das noch nie gestört, lieber eine alkoholisierte Wahrheit als eine nüchterne Lüge.
    Lutz meldete sich auf seinem Handy, brachte ein gepresstes „Ja?“ heraus, im Hintergrund waren Lachen und Kreischen zu hören. „Ich bin grad in der Fußgängerzone, alle wollen Senta Berger küssen. Die Rentner rollen in Bussen an, so was hast du noch nicht gesehen. Keine Zeit, gibt’s was Besonderes?“ Ich wollte zu einer kurzen, dem ungeachtet umständlichen Erklärung ansetzen, doch Perschau unterbrach mich sofort. „Kann jetzt nicht, bin selber gleich an der Reihe. Zungenkuss von  Senta Berger! Dort hinein, wo vor mir Legionen alter Böcke... na ja, was tut man nicht für den Journalismus! Komm doch einfach selber vorbei, ich warte dann am Brunnen auf dich.“
    „Schade, sie ist schon weg!“ Perschau, ganz fünfzigjähriger Bonvivant mit der roten Ehrennase der alkoholischen Legion, trug den Abdruck von Senta Bergers Lippenstift wie einen Orden auf seinem üppigen Schnauzer. „Wow, die Alte hat alles gegeben“, schwärmte der Connaisseur, „so viele Erektionen hat diese Stadt nicht mehr erlebt, seit Dolly Buster beim Altstadtfest das Schlüpfergummi gerissen ist! Und was hast du so auf dem Herzen?“
    Ich erklärte es ihm. Während ich redete, schlenderten wir über den Platz, der Szenekneipe „Beim ollen Paule“ zu, wo sich früher die Nutten des Viertels aufgehalten und auf Kundschaft gewartet hatten, heute stattdessen die Huren des Kulturbetriebs auf nichts weiter warteten als auf einen eigenen Gedanken.
    „Diese Oxana musst mir unbedingt mal vorstellen“, sagte Perschau, als ich meinen Bericht beendet hatte. Paule, der geschätzt neunzigjährige Patron, knallte uns, wie meistens übel gelaunt, zwei schlecht eingeschenkte Biere auf den Tisch, zischte „Aber nicht kleckern“ und schlurfte zurück hinter die Theke. „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“ fuhr ich Perschau an. „Außerdem ist Oxana lesbisch, da läuft gar nix.“ Perschau zuckte mit den Schultern. „Abregen, Junge, ich mag lesbische Frauen,

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