Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
sich um. Claudia stiefelte schnell und geradenwegs zur Tür. „Ok“, sagte Oxana, „geh schnell ein paar Meter weit weg, damit dich keiner sieht, wenn du sie ansprichst.“ Ich tat es. Oxana zwinkerte mir zu.
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Sie war misstrauisch, die Bedienung aus der Kaffeebar, Claudimausi, Claudia, sie war genervt und gereizt, hatte keine Zeit, keine Lust, ich brauchte kein Wort zu sagen, da genügten wenige Blicke. „Sie schon wieder.“ Und machte Anstalten, mich wie eine Slalomstange zu umkurven, aber da stand schon Oxana neben ihr, fasste sie leicht am Oberarm, sagte: „Komm, ganz gemütlich einen Kaffee trinken, du kannst dich dieses Mal selbst bedienen lassen.“
Frauen. Sie inspizierten sich gegenseitig auf modische Details, auf Geschmacksverirrungen, den Geilheitsgrad der Schuhe. In letzterem nahmen sich beide nichts, hohe Stiefel, nicht die billigsten. Dennoch sagte Claudia ziemlich rüde: „Was soll das?“, wie sie überhaupt ein cooler Knochen war, die Szene in den sanitären Anlagen war mir noch gut in Erinnerung, kein Heulen, kein Schreien, kein Garnichts. „Du hast ihn doch gemocht, diesen Günther Rath, stimmt's?“ Mehr brauchte Oxana nicht zu sagen, schon überfluteten Claudias Augen, auch hier: Frauen. Sie ahnen ihre Schwächen, sie drücken auf die Gefühlsdrüse, wo unsereiner an irgendeine Logik glaubt und sich ins Verderben rudert.
Sie folgte uns jetzt apathisch. Fast apathisch. Wir steuerten ein Café in der Nähe des Hauptbahnhofs an, viele leere Plätze, gut so. Während wir von unserem Kaffee nippten, ließ Claudia ein Glas heiße Zitrone vor sich stehen, das einzige Getränk wohl, das sie in ihrem Etablissement nicht selbst führte. „Glaubt bloß nicht, ich hätte etwas mit dem gehabt“, sagte sie resolut und schon wieder kam die Augenflut. Sie starrte in ihr Zitronenglas. „Was mich eigentlich gewundert hat. Normalerweise gerat ich automatisch an die verpeilten Typen, aber der war wohl zu verpeilt...“
„Zeig mir einen Kerl, der nicht komplett verpeilt ist, und ich zeig dir ein Nilpferd, das steppt“, sagte Oxana und warf rollenden Auges einen resignierten Blick in die Höhe. „Solche Tiere solls aber geben“, wandte ich schüchtern ein, doch sogleich schmolzen mich vier glühende Frauenaugen auf die Dimensionen und Konsistenz eines Hundehaufens zusammen. Weibertalk, dachte ich verächtlich. So haben sie früher an den Flüssen gesessen und beim Wäschewaschen über ihre Versorger hergezogen, heute sitzen sie in mondänen Restaurants, billigen Cafés oder ärztlichen Wartezimmern und lästern immer noch über uns ab. Ein archaischer Überlebensinstinkt jedoch gebot mir, solche endgültigen Wahrheiten nicht auszusprechen. Ich wollte nicht das erste Nilpferd sein, das man in die Erdumlaufbahn haut, wo es dann wegen der fehlenden Schwerkraft steppen könnte.
Endlich nippte auch Claudia von ihrem Getränk und entspannte sich. So etwas hatte ich früher schon beobachtet, wie sich Frauen automatisch gegen die Männer verbunden, um in ihr ureigenes Metier zu gelangen, die Männerverunglimpfung. Clever, meine liebe Oxana. Claudia jedenfalls begann nun zu reden, trank zwischendurch von ihrer heißen Zitrone, verzog den Mund, ob wegen des sauren Geschmacks oder des Erzählgegenstandes – Männer! -, wusste ich nicht.
„Dann hast ja auch deine Erfahrung mit diesen Stinkesockenträgern gemacht. Aber was erwartest du eigentlich von einem Tier, das Haare auf der Brust und im Gesicht hat. Ich hab einmal mit einem zusammengewohnt, also ich sag dir nee, da erzählen dir deine Freundinnen davon und du glaubst es nicht, aber dann erlebst das am eigenen Leib, wie sie die Wohnung versiffen lassen und wenn sie die Dusche verlassen, dann sieht sie aus als hätte...“ „-ein Misthaufen geduscht“, ergänzte Oxana. Claudia nickte es als eine ewige und unveränderliche Wahrheit ab. „Du sagst es. Wenn wenigstens noch der Sex gut wäre!“ Warum sah sie mich dabei an? Ich hatte meine Erfolge schließlich schwarz auf weiß in Hermines rotem Büchlein, ich konnte mir das notfalls notariell beglaubigen oder auf die Stirn tätowieren lassen. „Für die Kerle mag er ja gut sein, aber denken immer nur an sich, kennt man doch, allenfalls mal Zufallstreffer und dann führen sie sich auf wie die Kings und Frauenversteher. Komm, hör mir doch auf!“ Langsam dämmerte mir, es sei keine gute Idee gewesen, Claudia zu interviewen.
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„Und was interessiert IHR euch eigentlich so für den
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