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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Bundeskanzlerin lächelte ihm zu, der Finanzminister lächelte ihm zu, sogar die Bundesfamilienministerin lächelte ihm zu. Das war wie eine Behandlung mit Lachgas. Man fühlte sich so beschwingt, man platzte nur so vor Ideen. Er hörte sich sagen: „Die Frau Bundeskanzlerin müsste verlautbaren lassen, sie übernachte ab sofort in einem Feldbett im Kanzleramt, damit sie immer sofort erreichbar ist und zeitnah reagieren kann. Zeitnah reagieren = für die Bürger regieren.“
    Sie sahen ihn an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Der Finanzminister hatte ein Wort auf den Lippen, vom den Kriesling-Schönefärb hoffte, es niemals hören zu müssen. Alle anderen schwiegen. Bis die Bundeskanzlerin sagte: „Ja. Gute Idee. Machen wir. Informieren Sie die Presse.“
    Sie war da. Gleich würde man sie einlassen, um die Bundeskanzlerin in ihrem Feldbett zu fotografieren. Keine Interviews, bitte. Und das Telefon klingelte.
     
     
    304
    Ich musste etwas unternehmen. Nein, ich wollte nicht die Gelegenheit nutzen und ein Unternehmen gründen, der Typ bin ich einfach nicht, eher das Gegenteil, ein in jeglicher Hinsicht abhängig Beschäftigter mit befristetem Arbeitsvertrag. An diesem Morgen war das anders. Ich brannte, ich platzte beinahe vor Tatendrang. Rasch wurde bei Hermine gefrühstückt, sich mit einem herzhaften Kuss verabschiedet, den die noch schlafenden Minderjährigen in der Wohnung gottlob nicht mitbekamen, dann rief ich, unter Hermines misstrauischer Beobachtung, Oxana an.
    „Hast Recht“, sagte die. „Wir spekulieren zuviel. Marxer ist auch außer Rand und Band, der geht gleich los und kauft sich ein Sherlock-Holmes-Kostüm, aber die Frau Doktor Watson mach ich dem nicht, das steht mal fest. Lass uns etwas Konkretes machen. Wo soll ich dich abholen?"
    Wir verabredeten uns schließlich vor dem Hauptbahnhof. Günther Rath, das doppelte TH, was wussten wir von ihm? So gut wie gar nichts. Ein vom Schicksal mit einem seltsamen Gedächtnis beschenkter Mensch, über das sich kein Danaer freuen konnte, der jetzt tot war, ermordet. Wer kannte ihn näher? Seine Kollegen, vielleicht. Jene Claudimausi aus der Kaffeebar, denn mir war aufgefallen, wie vertraut sie miteinander umgegangen waren und dass sie Rath einen Spinner genannt hatte, was immerhin darauf schließen ließ, dass sie mehr über ihn wissen konnte. Wenigstens ein Anfang, der erste Griff nach dem Faden, der uns durch das Labyrinth des Lebens von Günther Rath führen würde. Vielleicht. Und dann direkt zu seinem Mörder?
    „Gruß dich“, sagte Oxana. Wir waren beide aus verwandten Gründen übernächtigt und machten uns nicht die Mühe, es zu verbergen, obwohl Oxana durch die leichte Ungebügeltheit ihres Gesichtes erheblich gewann, während ich durch die meine erheblich verlor. „Erst diese Claudimausi?“ Ich nickte. „Was für ein blöder Name“, fand Oxana, „wie klingt denn das. Sie heißt Claudia und fertig damit. Ob sie heute Morgen überhaupt arbeitet? Ob diese Kaffeebar überhaupt geöffnet hat?“
    Hatte sie nicht, worauf ich auch hätte gleich kommen können. Schließlich war sie zum Tatort geworden, es mussten Spuren gesichert werden und so überraschte es nicht, dass sich einige Leute hinter der geschlossenen Glastür tummelten, Leute, die erkennbar beim Arbeiten waren, vom Gastraum in die sanitären Anlagen wechselten und umgekehrt. Aber: Hinter dem Tresen stand, tatsächlich, Claudimausi, mit Mantel und Mütze, sich deutlich genervt mit einem Mann unterhaltend, dem man die Pensionsberechtigung aus hundert Metern ansah.
    „Bleib hier und warte, bis sie rauskommt. Ich geh mal zur Bäckertheke und frag ein bisschen rum.“ Gute Idee. Ich stellte mich ein wenig aus der Sichtlinie, da mir nicht danach war, von Claudimausi gesichtet und in die offensichtliche Befragung mit hineingezogen zu werden, die Claudia (Claudimausi war ein wirklich bescheuerter Name!) mit immer größerer Ungeduld über sich ergehen ließ.
    Ich wartete also. Fünf Minuten, zehn Minuten. Darauf, dass Claudia aufbrechen oder Oxana von ihren Befragungen zurückkehren würde, beides geschah nicht, endlich aber, nach einer Viertelstunde, stand die Kasachin lächelnd neben mir und sagte: „Dieser Günther Rath muss schon ein komischer Typ gewesen sein.“ Ich lächelte zurück. „Das, meine Liebe, habe ich auch nie bezweifelt.“
    Bevor wir Einzelheiten zum Thema erörtern konnten, kam Claudia hinter dem Tresen hervor, der Mann, mit dem sie geredet hatte, nickte und drehte

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