Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Verteidigungsminister. Was aber war die Operation Lava? Kriesling-Schönefärb sinnierte aus dem Zugfenster in die vorbeiflitzende Landschaft hinein. Das Wägelchen mit Kaffee und Tee rollte vorbei, ein Kind weiter hinten begann zu greinen. Operation Lava. Island.
Er blätterte zurück, er musste chronologisch vorgehen. Die erste Notiz, ein halbes Jahr alt. „AM berichtet, er habe auf dem Flohmarkt Schellackplatten kaufen wollen, aber kein Geld dabei gehabt, nur Scheckkarte, die nicht akzeptiert wurde. Er tausche sich mit der FDP nicht bargeldlos aus, zu gefährlich, hatte der Verkäufer gesagt. (Guter Mann!) Machte den Vorschlag, die Platten gegen die Krawattennadel des AM zu tauschen. AM wollte ein Autogramm obendrauf geben, Verkäufer lehnte ab. Er mache keine Verlustgeschäfte (Prima Mann!)“
Das war der Anlass gewesen. Ein lockeres Gespräch über Tauschwirtschaft, später mit dem Finanzminister. „Ich krieg Pickel, wenn ich an den Euro denke, sagt der FM. Ich: Pickel? Wo? FM: Am Arsch. Ich: Geht mir genauso. Wir einigen uns, an der Sache dranzubleiben, Expertenmeinungen einzuholen.“
Das war geschehen. Für und Wider Tauschwirtschaft, die Szene beobachten, Einsatz verdeckter Ermittler, Komplott wird aufgedeckt, leider nannte die Bundeskanzlerin keine Namen. Ah, das war interessant!
„IM berichtet, ein Späher sei in die kriminelle Organisation eingeschleust worden. Fähiger Mann. Erste Fortschritte. FM besteht darauf, dass erst klar Schiff gemacht werden müsse, bevor die Operation Lava starten könne. Stimme dem zu. Späher berichtet von konkreten Vorbereitungen, das Geld zu desavouieren. Hintergrund: Angestrebte Weltherrschaft, muss verhindert werden, wollen wir doch selbst."
Konnte Georg Weber dieser Späher gewesen sein? Der dann enttarnt und beseitigt wurde? Möglich. Oder der Späher war noch aktiv. Kriesling-Schönefärb blätterte weiter, doch vom Späher wurde nicht mehr berichtet.
Der Zug war in Frankfurt angekommen. Kriesling-Schönefärb suchte sich eine Gruppe aufgeregter Damen –Kegelausflug – und verließ in deren Schutz unauffällig den Bahnhof. Erst einmal Geld abheben, bevor man sein Konto sperrte. Okay, sie würden dann wissen, dass er in Frankfurt gewesen war. Egal. Die Spuren verwischen. Mit der S-Bahn nach Wiesbaden, mit dem Bus nach Mainz, dann dort mit dem Zug weiter. Er studierte Fahrpläne, hatte 1000 Euro in der Brieftasche, das musste vorerst reichen. Klamotten kaufen, einen unauffälligen Winteranorak, passende Schuhe, Unterwäsche, Zahnbürste, den üblichen Kleinkram. Dann weiter.
Operation Lava.
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Jetzt nur nicht schlappmachen! Die Bullen hatte man souverän und im Wortsinn gegen die Wand gefahren, sie japsten nach Luft, die Schilde zwischen sich und dem Mob, im Rücken die kalten Mauern der „Bauernschenke“. Einzug in den Schankraum mit großem Hallo, die schäumenden Biere standen schon auf den Tischen, es war nicht für alle Platz, aber machte nix, man konnte auch im Stehen einen zischen, für die Schulkinder gabs Cola und für die Hausfrauen hatte Irmi zwei Flaschen Eierlikör aus dem scheinbaren Nichts gezaubert. So ließ es sich leben als bürgerlicher Revoluzzer.
Aber nun merkte Ulrich Hasencamp, wie seine Pumpe verrückt zu spielen begann. Diskrete Frage an den Nebenmann: „Hast deinen Flachmann DOPPELHERZ dabei?“ Der, ein 92jähriger Veteran des Straßenkampfs, nickte nur verständnisvoll und zog das Fläschchen aus dem Mantelsack. Aaaaaah, das tat gut!
Hermine nämlich hatte sich den Hasencamp bei seinem Eintreten sofort gegriffen und dermaßen an die Brust gedrückt, dass deren Warzen in der Brust des Gedrückten einen mittelschweren Tumult in praktisch allen Organen auslösten. Wenn sie mich jetzt noch küsst, wars das, dachte Hasencamp, ein wunderbarer Tod, aber leider ein Tod. Und das musste nicht unbedingt sein. Irgendwie begann doch das Leben gerade erst. Man fühlte sich neugeboren, wiedergeboren, was auch immer, egal: Man lebte plötzlich.
Die Polizei hatte sich verdrückt. Weicheier, Warmduscher, Waschlappen, aber denen würden noch die Augen aufgehen, wenn ihr ganzer Wohlstand in Bälde zusammenbricht und die Anarchie auf den Straßen den ganzen Mann, die ganze Frau erfordern wird. Nein, Hasencamp war kein Illusionist. Die Welt ging gerade den Bach runter, es war hohe Zeit, gegen den Strom zu schwimmen. Er fühlte sich wie ein Jüngling. Zischte sein Pils, wischte sich den Schaum von den Lippen, sah sich um, musterte die
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