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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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durch die Unterführung zum Gleis 5, mischten uns unter die dort wartenden Reisenden, die es nach Paris zog. Paris! Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, mir spontan einen Fahrschein zu kaufen, einfach einzusteigen und weg zu sein. In Paris ein kleines, billiges Hotelzimmer mieten, ausgiebig duschen und dann nichts wie ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen und auf den Weltuntergang warten. Ich verstand plötzlich, warum Menschen sogenannte eskapistische Literatur lasen, all die Krimis und Arztromane oder Schoßgebete zum Himmel schickten. Aber half jetzt nichts. Wir mussten da durch. Durch was eigentlich? Auch ne gute Frage.
    „Wir trennen uns“, sagte Oxana. „Moritz geht an den Zuganfang, Sonja bleibt hier stehen und ich gehe ans Zugende. Den Kriesling-Schönefärb nicht gleich ansprechen, alles im Auge behalten. Wenn der verfolgt wird, können wir das vielleicht erkennen. Macht ihm Zeichen mit den Augen, dass er euch in einem Sicherheitsabstand folgen soll. Okay?“ Na, war doch wenigstens der Ansatz einer Strategie. Wir trennten uns. Ich spazierte langsam nach vorne, slalomte um Koffer und quengelnde Kids. Eine Lautsprecherstimme riet uns, vom Bahnsteig zurückzutreten. Der Zug kam näher. Und mit ihm... ja was eigentlich? Eine neue Verwicklung, soviel war klar.
     
     
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    „BESTSELLERAUTOR Opfer von Polizeiwillkür!“ Eine gute Headline war schon die halbe Miete, das wusste Marxer, die alte Medienrampensau. Er saß über den Laptop gebeugt und schnitzte einen Pressetext, der an alle Onlinemagazine und Portale verschickt werden sollte, auf seiner Facebookseite hatte er schon die skandalösen Ereignisse der letzten Nacht sowie die couragierte Reaktion der älteren Wutbürger bekanntgegeben, 395 Personen waren mit einem Klick auf „Gefällt mir“ solidarisch. Der Dichter befand sich hundertpro in seinem Element.
    „Der bekannte Bestsellerautor Konstantin Marxer, Schöpfer von „Das Geheimnis des Siechen“, „999 Tipps gegen Haarausfall“ oder „Lyrik aus 5 Jahrhunderten in Beispielen“, wurde gestern Abend Opfer einer beispiellosen Polizeiaktion. Der als gesellschaftskritisch und tabubrechend von den Mächtigen gefürchtete und seinem zahlreichen Publikum geliebte Autor sah sich während einer angeregten politischen Diskussion in der „Bauernschenke“ plötzlich von mehreren Hundertschaften Staatsknechten umstellt, die mit dem Einsatz von Schlagstöcken, Tränengas und schlimmen Worten nicht geizten, um den unbotmäßigen Autor (mehrere Talkshowauftritte) davon abzuhalten, die derzeitige, sehr brisante politisch-ökonomische Lage im Dialog mit seinen Bewunderern aufzuarbeiten und Leitlinien für kritisches Verhalten zu entwickeln.“
    Marxer war zufrieden. Der Stoff, aus dem die Skandale geschneidert wurden, der Teig, den phantasiereiche Journalisten zu dicken Broten der Entrüstung formten. Auf seiner Facebook-Seite hatte sich bereits „mullah_manfred“ gemeldet und sich solidarisch gezeigt. „Scheiß Staat, nicht mal ne kleine Atombombe darf man sich basteln!“ Richtig! Sie gönnten einem nicht mehr das kleinste Vergnügen, die totale Überwachung – und so etwas nannte sich Demokratie!
    Der Gastraum lehrte sich allmählich. Adrenalingeschwängerte Pensionisten wankten zurück zu Herztropfen und Kathedern, in ihrem Hormonhaushalt schwer gestörte Schüler trollten ihren Schulgefängnissen entgegen, die Polizei war nirgendwo zu sehen, was aber nichts bedeutete. Irgendwo verschanzten sie sich. Irgendwo, auf einem der vielen Befehlswege, fuhr der nächste Laster schon heran, die nächste Drangsalierung des mündigen Bürgers. Es ging auf Mittag zu, die Helden verspürten Hungergefühl und Müdigkeit.
    „Grad hat Oxana angerufen“, informierte Irmi, „wahrscheinlich können wir nicht mehr in unsere Wohnungen zurück, weil die von Bullen bewacht werden. Und noch wahrscheinlicher nehmen die uns sofort hopps, wenn wir dort auftauchen.“ „Hurra!“ jubelte das juvenile Trio aus Jonas, Laura und Katharina, „wir schlagen dann unsere Zelte in der Spielothek auf, die hat 24 Stunden am Tag offen!“ „Nichts da!“ schob Hermine sofort den Riegel vor, „WIR gehen in unsere Wohnung zurück und wehe, da stehn welche, die uns daran hindern wollen!“ Die drei Künstlerinnen erklärten sich sofort solidarisch und boten ihre Räumlichkeiten zur Übernachtung an.
    Ulrich Hasencamp lag, völlig erschöpft, auf dem Sofa in der Wohnung der Wirtszwillinge. War vielleicht zuviel

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