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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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halbwegs ruhige Ecke des Raumes, dessen Luft immer penetranter nach Peking an einem nebligen Herbstmorgen stank. „Schon unsere Kontaktperson erreicht?“ Die persönliche Referentin wagte ein schüchternes „Noch nicht“ und errötete, weil sie ihr Versagen persönlich nahm. Die Bundeskanzlerin bemühte sich um optimale Kontrolle ihrer Gesichtsmimik. „Aha“, sagte sie nur. „Weitermachen. Der wird sich doch mit DEN ANDEREN in Verbindung setzen.“ Das sei anzunehmen, bestätigte die persönliche Referentin und war froh, als sich der Kampfwagen des Finanzministers, knapp vor dem des Altkanzlers, in die nun gar nicht mehr so ruhige Ecke rollte. „Wo steckt der Innenminister?“ bellte der Finanzminister, „es geht hier schließlich um die innere Sicherheit! Ich erwarte postwendende Erlaubnis des Einsatzes von Schusswaffen! Wo gehobelt wird...“ Der Altkanzler hinter ihm nickte und erinnerte an die große Hamburger Flutkatastrophe. „Da haben wir auch Fünfe gerade sein lassen, ich kann Ihnen sagen.“ Die Kanzlerin verdrehte innerlich die Augen zum Himmel. Nicht schon wieder dieses Thema. „Ja“, sagte sie, „kein Pardon.“
    Endlich betrat ein gehetzter Innenminister den Krisenraum. Ungekämmt, unbefrühstückt, schlechtgelaunt. „Pardon?“ sagte er verwirrt, „ja, äh, also Pardon für die kleine Panne. Ich habe die verantwortlichen Herren vom Verfassungsschutz bereits gefeuert. Aber Entwarnung. Noch wissen wir nicht, wo sich der Verräter aufhält, aber wir sind gerade dabei, eine Spur seiner Spur zu finden.“ Na bravo. Spur seiner Spur. Das hier war schlimmer als Fukushima oder dieses Tscherno... Da gab es genügend Spuren für die nächsten 40.000 Jahre. Die Kanzlerin nickte dem Innenminister dennoch zu. Mitarbeitermotivation nannte sich das, neumodisches Zeug halt. „Ich erwarte Vollzug“, sagte sie mit ihrer bedrohlichsten Stimme.
     
     
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    Wie bestellt und nicht abgeholt. Natürlich mit kalten Füßen, die Oxana zärtlich „meine Eisklumpen“ nannte, und einer stetig wachsenden Paranoia. Jeder konnte ein Spitzel sein, jeden Augenblick konnten Handschellen blitzschnell aus der Tasche gezogen werden, um unsere Handgelenke klicken. Und in einer halben Stunde würde auch noch dieser Kriesling-Schönefärb hier anlanden, der wohl meistgesuchte Mann der Republik, Staatsfeind Nummer eins, der Al Capone und Jack the Ripper und Baader/Meinhof in einem. Na prima. Wir zockten gerade mit unseren Köpfen. Gibt höhere Einsätze.
    Und wo sollten wir heute Nacht schlafen? Nur so mal, damit Gesprächsstoff da war. Oxana und Sonja sahen sich an. Gute Frage. „Ich find schon was“, sagte Oxana und begann zu telefonieren. Die russischen Wörter flogen uns um die Ohren, wir verstanden nicht einmal Bahnhof auf Russisch. „Alles klar“, sagte sie dann und steckte ihr Handy ein. „Wir pennen in der Ausweichwohnung von Igor.“ Igor? „Alter Kumpel aus Kasachstan“, erläuterte Oxana, „macht hier ein paar Geschäfte und ist manchmal gezwungen, nicht dort zu wohnen, wo er eigentlich wohnt. Leidensgenosse sozusagen.“ Genaueres wollte ich gar nicht wissen. Ich fügte mich in mein Schicksal.
    Wir gingen an die Brot- und Kuchentheke, hinter der noch bis vor kurzem der arme Günther Rath bedient hatte, bestellten uns Kaffee und aßen Günther-Rath-Gedächtnisplunderstückchen dazu. Auch so eine Spur, die im Sande verlaufen war, nischt wie Ouzo und Akropolis und weiß der Teufel noch alles. Vor der kleinen Kaffeebar nebenan standen zwei noch kleinere Tische für eilige Reisende. Claudia servierte routiniert lächelnd, dann sah sie uns und das Lächeln gefror. Wir lächelten zurück, hoben entschuldigend unsere Kaffeetassen. Ja, klar, hätten wir auch bei ihr trinken können.
    Sie kam zu uns. Nickte Sonja zu, die sie noch nicht kannte, ignorierte mich auch diesmal als nichtexistentes Wesen und sagte zu Oxana: „Mir ist noch was zu Günther eingefallen, aber kann ich jetzt nicht sagen, ich hab die ganze Bude vollsitzen. Komm in einer Stunde oder so noch mal vorbei.“ Nickte noch einmal Sonja zu und war schon wieder weg. Wir standen rum wie auf einem Präsentierteller. „Kommt, wir gehen schon mal auf den Bahnsteig“, dirigierte die Kasachin. Taten wir dann auch.
    Wir hätten einen Plan gebraucht. Eine Agenda, wie das ja neuerdings hieß. Eine Ausstiegsoption aus diesem Katastrophenszenario. Natürlich waren wir weit auch nur von einer Idee entfernt, wie es weitergehen sollte. Stattdessen latschten wir

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