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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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trieb er dahin, einem Ort zu, den er nicht kannte, einem Schicksal, das ihm gleichgültig war. MIT IHR! Achtung, mein Lieber, Achtung. Das hier ist kein Rosamunde-Pilcher-Roman – oder doch? Oder ist es zwar ein Rosamunde-Pilcher-Roman, aber gerade ein besonders kitschiger Teil, dem aus dramaturgischen Gründen sogleich ein tragischer folgen muss? Wer sagte denn, dass es immer ein Happyend gibt? Auch die zuckersüßesten Kitschautoren kamen manchmal nicht umhin, jemanden aus Glaubwürdigkeitsgründen ins Gras beißen zu lassen. Okay, meistens waren das Ältere oder Bösewichte oder beides, oft aber auch stand die Heldin zwischen zwei Liebhabern und dann musste einer weichen, kleiner Flugzeugabsturz oder Leukämie oder der Verzehr selbstgesammelter Pilze – nicht dran denken.
    War er etwa eifersüchtig? Stand Sonja zwischen zwei Liebhabern? Gar zwischen zwei Geschlechtern? Dumme Gedanken (gab es etwa ein drittes Geschlecht? Ja, irgendwie schon, klar), sofort weg damit, lieber andere her, düsterere. Die Staatsverschwörung, die Schlinge, die sich immer enger um ihrer aller Hälse zog, schon schnappten sie nach Luft. Einen optimistischen Moment lang spekulierte Kriesling-Schönefärb, die Dinge seien so, wie sie sich entwickelten, in Ordnung, die Politik wisse was zu tun sei und SIE selbst, ER, Kriesling-Schönefärb und die Seinen, seien die eigentlichen Schädlinge, Dummköpfe, deren Intellekt zu rudimentär vorhanden sei, um die Komplexität der Probleme und die Genialität ihrer Beseitigung zu begreifen. Konnte das nicht sein? Würde nicht DAS VOLK, mit den nackten Tatsachen konfrontiert, sich mehrheitlich FÜR die Maßnahmen der Regierenden entscheiden, so wie sie es bei Stuttgart 21 getan hatten? Doch was wäre damit bewiesen? Die Mündigkeit der Bürger oder der Erfolg einer medialen Gehirnwäsche?
    Sie hatten am frühen Nachmittag das Haus verlassen, mussten einfach raus. Natürlich nicht ins Dorf unter die Liebhaber der Bässe und bunten Pillen. Sie spazierten durch den Wald, der Großmuschelbach umgab, hügelige Landschaft, keine Menschen, der Schnee knöcheltief und jungfräulich. Es machte ihnen Freude, müde zu werden, müde und hungrig, sie redeten nicht viel, einmal ging er hinter ihr und betrachtete sie mit Wohlgefallen, dann ging sie hinter ihm und er hoffte, auch sie betrachte ihn... Romantik eben, unschuldige Romantik, Pilcher ist überall.
    Wieder zurück, hatte Sonjas Freundin Kaffee gekocht und Kuchen gebacken, die düsteren Gedanken in Kriesling-Schönefärbs Kopf waren verscheucht. Nicht für immer, nur für den Moment, aber mehr konnte man nicht erwarten. Nein, er war kein Optimist. Nein, er glaubte nicht mehr an das Gute in der Politik. Und selbst wenn: Gute Absichten waren kein Hinderungsgrund für Verbrechen.
    Immer noch wummerten die Bässe, immer noch schlief Sonja Weber neben ihm. Bis er aufstand, ans Fenster trat, hinausschaute in die Schwärze, einen Schatten wahrnahm, der schnell aus dem Bild huschte. Warum ängstigte ihn das nicht mehr? Er blieb regungslos stehen, er wartete darauf, dass der Schatten wieder auftauchen würde. Atmete durch. Sie sollten halt kommen, er würde sich verteidigen.
    Hinter ihm bewegte sich etwas, gab es ein Geräusch. Er drehte sich nicht um.
     
     
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    Das war jetzt nicht mehr lustig. In Marxers Kopf fuhren die Gedanken Amok wie betrunkene Halbwüchsige auf dem Auto-Scooter. Dieser Rath ein Cousin des Karnevalsprinzen, der Karneval in toto nichts weiter als Sex & Crime – na gut, da hatten Moritz und Vika dem lebenskundigen Dichter nichts Neues erzählt. Wo die Oberfläche am flachsten daherkommt, lauern darunter die tiefsten Abgründe, gebongt das. Schließlich hatte er in „Die Zombies aus dem Zillertal“ die Szene der sogenannten volkstümlichen Musik als einen Sumpf aus Koks, SM-Praktiken und brauner Soße entlarvt, nischt wie fröhliche Zillerbuam on Dope. Dennoch: War das wirklich überall so? Marxer hielt seinen Blick unverdrossen in Vikas Schritt, er war zu besoffen, um sich einen letzten Rest Kultiviertheit leisten zu können. Aber wenn er besoffen war, was war dann Moritz?
     Moritz Klein war hin und her gerissen. Interpretierte er Hermines Mimik, ihre Gesten richtig? Deuteten sie auf eine Verbesserung der beziehungsrelevanten Großwetterlage, verhießen sie weiterhin ungetrübten partnerschaftlichen Genuss – und wenn ja, sollte dieser Genuss noch in dieser Nacht geschlechtlich vollzogen, sozusagen in bare Münze umgewandelt werden (ein

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