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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Vorübergehen fasziniert zugehört. Diese Sprache! Zwischen den Bildhauerinnenbrüsten war Borsigs Kopf irgendwann verschwunden, der Kerl schlief, ermattet von einem Nachmittag, an dem er gelernt hatte, wie man auf Island die langen dunklen Winterabende verbrachte, wenn wieder einmal ein Containerschiff mit Kondomen im Hafen angelegt und seine Ware unter das Volk gestreut hatte.
    Heute hielt sich der Betrieb in der „Bauernschenke“ in Grenzen. Gut besucht, nicht überfüllt, die Rentner so wie vor ihrer mutigen Demonstration gegen die Staatsmacht, große Klappe, kleine Bedürfnisse. Sie aßen senegalesische Nationalgerichte, die Mohamad und Mirjam in der Küche bereiteten, am hinterletzten Tisch das schon bekannte Pärchen vom Verfassungsschutz oder wem auch immer, sehr gelangweilt, sehr aufmerksam. Die erhielten ihre Getränke mit gehöriger Verspätung, Trinkgeld gaben sie eh nicht.
    Hermine hat eine Entscheidung getroffen. Sie wird um Moritz kämpfen, wie in einem Hollywoodfilm, wenn es sein muss. Großes Ausheulen vorhin auf dem Damenklo bei Oxana, die sie beruhigt hatte. „Vika? Wo denkst du hin! Vika sind Jungs egal, glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.“ Und Moritz sei doch ein netter Kerl, oder? Auch sonst alles in Ordnung, sexmäßig und so. „Ja, ja“, hatte Hermine zugeben müssen und genickt. Sie würde um ihn kämpfen. Mit wem auch immer.
    „Bekloppt sind die“, sagte Nancy und steckte ihr Handy weg. „Muss man sich mal vorstellen. Island ist über Nacht eine Art Polizeistaat geworden, ein Polizeistaat in der Steinzeit! Die haben schon angefangen, untereinander zu tauschen, Fisch gegen Eyeliner, Monatsbinden gegen eine Dose Ravioli, all so ein Zeug! Mein Vater sagt, das kann nicht lange gut gehen. Die Isländer lassen sich das nicht bieten.“
    Im Fernsehen hörte und sah man davon nichts. Normalprogramm. Eine Talkshow nach der anderen, die Typen kannte man inzwischen. Sah so aus, als existierte eine neue Berufsgruppe, „Talkshowgäste“, besondere Ausbildung nicht erforderlich, einzige Voraussetzung: Zu allem etwas zu sagen haben.
    Marxer grübelte. DAS hätte ihm einfallen sollen! Ein Krimiplot, in dem es um die globalen Dinge geht, Weltverschwörungen, Finanzkrise, Bundeskanzlerin! Er hatte einen Freund, der etwas von dem Kram verstand, der hätte ihm ein paar Details flüstern können, wie das so mit den Banken funktioniert. Jetzt musste er sich beeilen, solange der Stoff noch frisch war und die Konkurrenz ahnungslos. Hartes Geschäft, das Krimigeschäft. Nischt wie Schaumschläger und Wellenreiter. Noch hatte er einen Vorsprung.
    Schade, dass Irmi nicht da ist, dachte Oxana. Die Junioren ebenfalls nicht, die hockten in ihrer Spielhölle ab und zockten mit dem Teufel um die Wette. Sie hatte Vika kurz erreicht, kaum etwas verstanden, bei dieser Prunksitzung ging es hoch her. Ja, ja, würde nicht mehr lange dauern und sie kämen dann noch auf einen Absacker in die „Bauernschenke“. Sie informierte Hermine, die nur „aha“ sagte, aber „na warte“ dachte. Wenn der Kerl nicht zu besoffen wäre, würde sie ihn... Sie versank eine Weile in wohligen Gedanken an die nähere Zukunft, bis man sie am Rentnertisch an die bestellte Runde erinnerte.
    Die Alten waren längst gegangen, als Vika und Moritz, beide nicht mehr sehr schrittsicher, den Schankraum betraten. Hermine schauderte. Wie die aussahen! Lächerlich! ER in diesem Eurokostüm, auf Eurokrücken, SIE wie die gute Fee, die jeden Wunsch erfüllt. Ja klar, sehr hübsch. Und neben so einer konnte Moritz stundenlang sitzen und seine Finger nicht bei sich behalten? Glaubte Hermine nicht. Unmöglich. Das würde ja bedeuten, der Typ wäre asexuell geworden oder wenigstens temporär impotent. Sie lächelte zuckersüß, was immer ein schlechtes Zeichen war. Moritz lächelte schief zurück, was ein noch schlechteres Zeichen war. Besoffen. Total besoffen.
     
     
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    Und ewig wummerten die Bässe durch das hüpfende Tal. Sogar die Zweige der Bäume – landschaftsüblicher Mischwald – bewegten sich im Rhythmus der Musik, zu schweigen von den Herzen, die mit 120 Beats per Minute pochten, vor allem wenn man ein Mann war und neben einer hübschen Frau im Bett lag, einer schlafenden Frau, die Decke bis zu den Brüsten, die linke schaute vorwitzig ins vage Mondlicht, Kriesling-Schönefärb schaute vorwitzig auf die linke Brust.
    Wenige Tage hatten ausgereicht, sein Leben auf den Kopf zu stellen, in eine andere Richtung zu lenken – und jetzt

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