Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Bianca, von der er ja wusste, dass sie ihre gymnastischen Übungen für jedermann bereithielt. Nein, auch sonst. Immer dieselben Fressen. Immer dieselben Büttenreden, dieselben Schunkellieder, dieselben hochgeworfenen Mädchenschenkel. War ihm zu wenig. Er brauchte Abwechslung. Verstand einfach die Leute nicht, die damit schwadronierten, ihr Lieblingsessen sei „seit Kindheitstagen“ Leberknödel mit Sauerkraut. Okay, aß er auch gerne. Aber Abwechslung. Das war doch das Leben, oder? Er nahm seine Prinzenmütze ab und pfefferte sie auf den einsamen harten Stuhl im Raum. Dann ließ er die Hose runter.
Prinz Karl-Heinz versank in Selbstmitleid, was eigentlich gar nicht seine Art war. Er war ein Selfmademan, der aus dem Schrott seiner Gedanken seine um die Verwertung von Schrott kreisenden Gedanken seines Geschäftes gemacht hatte, er handelte mit dem unbrauchbar Gewordenen, dem Müll, dem Abfall – er tat das, was man in geistigen Leben dieser Republik auch tat, ohne es Schrott zu nennen. Und aus dem Schrott machte er das Schöne. Er kaufte sich Frauen, er kaufte sich Autos und Ansehen, er kaufte sich, leider, leider, auch die kleinen Perversionen, die das Leben so angenehm machten, die Elevinnen, die soften Sadomaso-Unternehmerinnen... Okay, er war ein Schwein. Er war ein geldgeiles Schwein, er ging nicht über Leichen, aber er ging um sie herum. Er war, auch das, ganz normal, ein von Kapitalismus und Katholizismus sozialisierter Musterknabe, das Salz der Erde gewissermaßen, auch wenn man das nicht gerne zugab. War aber so. Karl-Heinz wusste das, die anderen wussten das.
Wie war er in die Sache hineingeraten? Erpressung, natürlich. Diesmal nicht mit ein paar diskret zugesteckten großen Scheinen zu bereinigen. Die süße 14jährige, die aber wie – mindestens! – 21 ausgesehen hatte. Nein, war nichts Schlimmes passiert. Paar nette Sauereien, na und? Dann der Besuch. Dieser schmierige Typ, der auf einem von Karl-Heinzens Schrottplätzen angeblich eine neue Kurbelwelle für seinen 74er VW-Käfer gesucht hatte. Konnte man nicht mit dienen, ein Schrottplatz ist doch kein Museum, sehr wohl ein Museum manchmal ein Schrottplatz. Sei's drum. Jedenfalls hatte ihn der Typ beiseite genommen und angefangen zu erzählen. Von der 14jährigen und ihren gemeinsamen schweinischen Spielchen. Hatte ihm sogar Fotos gezeigt, Fotos, bei deren Betrachtung sogar Karl-Heinz rot geworden war. Er sollte das sein? Er diese Sau? Wieder was dazugelernt. Okay, er schämte sich.
Nein, Geld wollte der Typ nicht. Überhaupt: Geld! Er hatte gelacht, dieser Typ, Karl-Heinz wusste nicht weshalb. Hatte gelacht und gesagt: „Vergessen Sie Geld. Kleiner Typ von mir: einfach vergessen, Sachwerte kaufen. Nein, wir brauchen Sie als Mensch, verstehen Sie? Als Mensch.“
Klang doch erst mal gut, oder? Wer wird nicht gerne als Mensch gebraucht? Rührend. „Als Mensch?“ „Ja“, hatte der Typ bestätigt, „als Mensch. Sie kennen doch alle. Sie haben doch Einfluss, sie zählen die Leichen im Keller. Arbeiten Sie mit uns zusammen. Ganz einfach.“
Ganz einfach. Karl-Heinz setzte sich auf den einsamen Stuhl und überlegte, ob er weinen sollte. Und was war er nun? Ein Domestik. Ein Bote. Ja, ein Bote! So wie im neuen gleichnamigen Kriminalroman von... aber das ist eine andere schmutzige Geschichte.
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Also das war ja irgendwie lollig. Der Moritz hatte gerade alle Personen aufgezählt, die verschwunden waren. Der Kriesling-Dingsbums, diese Bauern da und der schmierige Schnüffler, die alte Gebhardt und, natürlich, Georg Weber. Auf den hatte sie, Laura, den Moritz gebracht, weil, is doch echt so, ey: Mit dem hat schließlich alles angefangen und jetzt ist das hundert pro derbst, also: Dass die alle verschwinden, so nach und nach. Aber so sind halt die Erwachsenen. Erst Scheiße bauen und dann die Biege machen. Laura kannte das, seit ihr Vater sich vom Acker gemacht hatte.
Seitdem lebte sie hier bei ihrem Lover. Naja Lover. Sie war ja erst 14 und keine Bitch wie Jenny, ihre Ex-Bf. Die hatte sich schon mit 13 wie ne tollwütige Kuh aufgebrezelt und mit Anfang 14 war sie dann keine JF mehr gewesen. Nee, also musste jetzt nicht sein. Außerdem war Jonas sweet. Der verlangte nix von ihr, also die wirklichen Hardcoresachen, daran schien der völlig desinteressiert, was Laura zwar in gewissen Momenten zu denken gab, aber ok war das schon.
Nee, die Alten. Du kannst in keinen Chat rein, ohne dass dich so ein Scheintoter anbaggert und dir seine
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