Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
ist. Das schöne Geschlecht beherrscht so manches man denke nur an lecker zubereiteten Schweinsbraten -, hat aber kein Händchen für die Abgründe des Daseins. Außerdem sind Frauen zu geschwätzig und verraten die Auflösung viel zu schnell. Lies nur mal diese Patricia Highsmith. Unerträglich, die!“
Marxer schwadronierte noch eine Weile über die Schwächen der Frauen in der Literatur, ein Thema, zu dem ich nichts zu sagen wusste und mich deshalb auf beiläufiges Abnicken der Argumente beschränkte. Dann seufzte er laut und sackte ein wenig in sich zusammen. „Erzähl mir lieber einen guten Gag für diesen Comedyheini. Soll dein Schaden nicht sein.“
Ich dachte nach. Hatte ich nicht heute Morgen noch gehört, die beliebtesten Gäste in deutschen Talkshows seien im ablaufenden Jahr Heiner Geißler und Karl Olaf Henkel gewesen? Und Amnesty International habe nicht gegen diese sehr krachlederne Art von Folter protestiert? „Mach doch“, schlug ich vor, „einen Sketch, in dem Geißler und Henkel sowie Lafontaine, Gysi, Künast und dieser dämliche Philosoph da in einer Talkshow sitzen und, sobald sie auf Sendung sind, pausenlos anfangen zu quasseln. Natürlich alle durcheinander. Die Moderatorin – eine Paraderolle für Maybrit Illner, würde ich sagen – erteilt nun abwechselnd ihren Gästen das Recht für ein paar Sekunden zu schweigen. Talkshow paradox, verstehst du?“ „Nein“, sagte Marxer. Ich erklärte es ihm noch einmal. „Na genau umgekehrt! Die quatschen und quatschen, anstatt erst einmal die Klappe zu halten und darauf zu warten, dass ihnen die Illner das Wort erteilt. Stattdessen erteilt sie ihnen das Recht ZU SCHWEIGEN!“
Ich hatte dies etwas laut gesagt, denn ich war frustriert. Marxer nickte. „Ja, jetzt verstehe ich das. Aber viel zu intellektuell. Was glaubst du denn, wer diesen Comedyscheiß anguckt? Die geisteswissenschaftliche Fakultät unserer Uni oder wer?“ Wir schwiegen wieder.
„Was soll ich bloß tun?“ greinte ich plötzlich und hatte mich gerade noch schnell genug unter Kontrolle, so dass es Oxana, die wieder ins Zimmer getreten war, nicht mitbekam. Sie trug jetzt rote Reizwäsche mit Strapsen sowie ein Tablett mit zwei Gläsern Whiskey.
„Tja“, sagte Marxer, „ich werde die Kasachinnen nie verstehen. Draußen ist es kalt und Oxana hat offenbar ziemlich warm. Und deine Idee ist nicht einmal so übel. Prost, mein Lieber. Und nun zu deinem Problem.“
43
Mit einem von vier doppelten Whiskey bereits leicht bleibeschwerten Schritt inspizierte Marxer die Bücherbrigaden seiner Bibliothekswand, blieb dann stehen und zog ein unscheinbares Paperback aus der Reihe. Schwankte zurück und knallte es mit einem eklen „Da!“ auf den Tisch. „Als Renate Graf-Dünkel diese Schwarte geschrieben hat, habe ich – äh, hat sie anscheinend dringend Geld gebraucht.“
„Tote zahlen keine Kontoführungsgebühr“ las ich auf dem Cover. Marxer nahm das Buch und begann flüchtig darin zu blättern. „Moment mal, habs gleich. Jedenfalls befindet sich Renates Protagonistin, die taffe Detektivin Lolly Wax, in einer ähnlich beschissenen Situation wie du, wenn ich dem Klappentext glauben darf. Sie entdeckt eine männliche Leiche in einer Wohnung und muss Fakten sammeln. Zu diesem Zweck folgt sie einer Nachbarin des Ermordeten bis zu einem Baumarkt, verwickelt sie – rein zufällig natürlich – in ein Gespräch und lässt en passant fallen, sie suche eine Wohnung in der Nähe. Äh...ja hier. Warte ich, ich lese vor.“ Er räusperte sich.
„ Frau Majakowski packte eine Dose Alleskleber in ihr Einkaufswägelchen und sagte ‚Na so was. Bei uns im Haus ist gerade eine Wohnung frei geworden. Aber –’- ‚Aber?’ fragte ich vorsichtig, um den Fluss der Majakowskischen Rede wieder in Gang zu bringen.“
Marxer schnalzte mit der Zunge. „Fluss der Majakowskischen Rede. Du erkennst die literarische Anspielung?“ Ich erkannte die literarische Anspielung nicht und nickte heftig. Marxer fuhr fort.
„ Frau Majakowski nahm die Dose Alleskleber wieder aus dem Wägelchen und las das Kleingedruckte, was ihr nicht zu gefallen schien, denn sie stellte die Dose zurück zu ihren Artgenossinnen.“
Marxer schnalzte abermals mit der Zunge. „Diesen Satz zitiert der Krimikritiker Schlunz in seiner Rezension als Beispiel für eine quasi transhumanistische Grundideologie der Autorin und vice versa. Die Dose als Artgenossin, du verstehst?“ Ich antwortete nicht und wartete, dass
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