Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Marxer weiterlesen würde, was er auch endlich tat.
„ ’Nun ja’, fuhr Frau Majakowski fort, ‚es gibt da ein Problem. Die Wohnung ist nur deshalb frei, weil der Mieter äh plötzlich verstorben ist.’ Ich erklärte ihr, das mache mir im Geringsten nichts aus, der Tod sei ein natürlicher Bestandteil des Lebens –“
„ Schööön“, log ich und Marxer nickte bestätigend.
„ - und ich hätte gelernt, ihn zu respektieren. Frau Majakowski nahm eine andere Sorte Alleskleber aus dem Regal und legte sie ins Wägelchen. ‚Ja schon, aber der arme Herr Winkelmann ist ermordet worden.’ ‚Oh je’ reagierte ich mit gespieltem Entsetzen, ‚das ist aber blöd.’ Frau Majakowski nahm auch diese Dose wieder aus dem Wägelchen, wog sie skeptisch in der Hand und stellte sie zurück. ‚Ja, der arme, arme Herr Winkelmann. Der hat doch keinem was getan! Er war langzeitarbeitslos, aber nicht so römisch, wie man heute sagt. Der hat zwischen Weihnachten und Neujahr bei den Leuten den Strom- und Wasserverbrauch abgelesen, wissen Sie, für die Jahresabrechnung der Stadtwerke.’“
Das war es! Ich sprang auf, umrundete den Tisch und hieb Marxer euphorisch auf die Schulter. Lothar hatte im Haus, in dem Sonja Weber wohnte, nur den Strom- und Wasserverbrauch abgelesen! Die beiden kannten sich gar nicht und hatten kein Verhältnis miteinander! Vielleicht musste Sonja diesem Lothar lediglich die Kellerräume öffnen, damit dieser seiner Tätigkeit nachgehen konnte!
Marxer lächelte. „Nun ja, es ist kein Meisterwerk der Gegenwartsliteratur, also halte dich mit deiner Begeisterung ein wenig zurück. Obwohl – so schlecht ist es auch wieder nicht. Wo nur Oxana mit dem fünften Whiskey bleibt?“
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Ich hatte keine Ahnung, ob meine durch die Kraft der Fiktion gewonnene Erkenntnis, der verstorbene Lothar Schmidt sei als Strom- und Wasserableser unterwegs gewesen, in der schnöden Wirklichkeit bestehen konnte. Es war mir aber auch herzlich egal. Etwas anderes beschäftigte mich mehr, die unleugbare Tatsache meiner Trunkenheit nämlich, der siebte Whiskey war von Oxana (inzwischen in Emma-Peel-ähnlicher Lederbekleidung, garantiert ohne Unterwäsche) serviert worden, ein in Anbetracht meines bevorstehenden erotischen Abendessens mit Hermine gefährlicher Umstand. Da allerdings ein heftiger Fußmarsch von 30 Minuten auf mich wartete, vertraute ich auf die Ausnüchterungskräfte von sibirischer Kälte und innerstädtischer CO2-Belastung.
Marxer dachte nach. Mein Sketchvorschlag einer Talkshow, bei der nicht das Schweigen durch Reden, sondern das Reden durch Schweigen unterbrochen werden sollte, fand langsam seinen Gefallen. „Wir hängen über allen Teilnehmern mit Wasser gefüllte Eimer auf. Sobald einer zum Schweigen verdonnert wird, kippt der Eimer und nässt den Schweigenden. Ist natürlich Scheiße, aber hallo, wir reden hier über Unterschichtenfernsehen.“
Auch diese Feinheiten bürgerlicher Unterhaltung waren mir ziemlich gleichgültig. Ich verabschiedete mich von Marxer, der sich seinerseits nicht lumpen ließ und mir ein Honorar anbot, das handsignierte Exemplar von „Tote zahlen keine Kontoführungsgebühr“ nämlich. Doch damit nicht genug. „Geh in die Küche und lass dir von Oxana ein Doggy-Bag zusammenstellen. Du hast es dir verdient.“ Ich gab dem Dichter die schlaffe Hand und begab mich in die Küche.
Oxana war dabei, andächtig das Silber zu polieren. Sie lächelte mich an und packte Gänsebraten, Sahnetorte und einen Rest Kebab in Folie, verstaute alles in einem Plastikbeutel und reichte ihn mir mit der Geste einer Komplizin. „Er ist ein arrogantes, egoistisches, untalentiertes Arschloch. Wir sind uns einig?“ Ich lauschte den rollenden Rs nach. „Sie verstehen unsere Sprache?“ Oxana lachte ein gutturales Lachen. „Klar, aber sagen Sie es bitte dem impotenten Schmierfinken da drinnen nicht.“ Ich versprach es und sie gab mir einen Kuss aufs rechte Ohr.
Ich marschierte los und rechnete. Zuerst nach Hause, dann schnell an der „Bauernschenke“ vorbei, von dort aus zu Hermines Wohnung. Das würde geschätzte 35 Minuten dauern, somit musste ich alle fünf Minuten einen Whiskey dazu bringen, seine Macht über meinen Geist und Körper freiwillig aufzugeben. Ein paar Alka Seltzer und Aspirin zur Unterstützung meines Anliegens würden nicht schaden.
Zuhause steckte ich den Krimi in die Tüte mit den Essensresten, sie war groß genug, auch noch den Plüschosterhasen für Jonas zu
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