Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Verdächtigen“, antwortete Drachmos. „Unsere korrupten Politiker, steuersparenden Millionäre, faulen Beamten. Das Trojanische Pferd hat den Vorteil, dass man die Visagen von den Burschen nicht sehen muss. Es gibt kleine Schlitze im Holz und daraus werfen sie keine Bonbons, sie werfen Geldscheine und Arbeitsverträge. Dafür müssen wir sie dann alle vier Jahre wählen, das ist das Abkommen.“
Diese ehrwürdige Tradition hätte auch bei uns gute Chancen, überlegte ich. So etwas Ähnliches gab es ja bereits, man nennt es Wahlkampf. Die Trojanischen Pferde sind die Wahlplakate, aber statt Geldscheinen und Arbeitsplätzen werden Luftballons und Kugelschreiber verteilt.
„Seit wir in der EU sind“, fuhr der Wirt fort, „ist der Karneval der Griechen allmählich in Vergessenheit geraten. Doch ein bisschen zu auffällig für die in Brüssel.“ Konnte ich nachvollziehen. „Und man macht das wirklich nicht mehr? Nirgendwo mehr?“ Europoulos überlegte angestrengt. „Hm, nein, nicht dass ich wüsste. Auch die griechische Gemeinde hier bei uns hat davon Abstand genommen.“
Griechische Gemeinde? Der Wirt nickte. „Ja, sind nicht viel, aber immerhin. Sie können ja mal dort nachfragen, ob die Genaueres wissen. Der Vorsitzende heißt Nullos Fiscalis, er besitzt einen Großhandel für griechische Spezialitäten, also Ouzo, Auberginen und Sirtaki-CDs.“
Ich bedankte mich und zog bürowärts. Immerhin eine leichte Spur. Die Adresse dieses Fiscalis würde ich aus dem Telefonbuch recherchieren, man war schließlich Profi. Und dann? Keine Ahnung. Jetzt war ich jedenfalls müde und nahm mir vor, das zu tun, was jeder gute griechische Beamte aus dem FF beherrscht: ins Büro gehen und fest schlafen.
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Oh mein Gott, was war DAS denn!? Er hatte gut geschlafen und geträumt. Einen Paradiestraum, mit nackten Evas, die ihn an einen Apfelbaum gefesselt hatten, und die Stricke waren Schlangen gewesen. Dann hatten sie ihn gezwungen, in Äpfel zu beißen, die Adam erntete. Und Gott? Der thronte über allem und nickte wohlgefällig. – Rüchel erwachte schweißgebadet. Er träumte so gut wie nie und wenn doch, dann immer nur von der Arbeit. All die Geister der Getöteten... und die Geister derjenigen, die er noch töten würde. Schmeichel. Das würde der nächste Kandidat für Albträume sein.
Die Wunde am Bauch schmerzte ein wenig, es war aber zum Aushalten. Gute Arbeit, Schmeichel, dafür hast du auch ein Anrecht darauf, dass ich gute Arbeit leiste, wenn ich dich ins Paradies rüberschicke. Er quälte sich aus dem Bett, wankte ins Bad. Hoffentlich würde sich nichts entzünden. Verband sah gut aus. Sein Körper war voll funktionsfähig, sein Kopf hingegen der düsteren Gedanken übervoll. Die Alte. Moritz Klein. Überhaupt: alle. Rüchel tendierte zum Massenmord, zum medienwirksamen Massaker. Lasst uns zehn, hundert, tausend Syrien errichten! Der UN-Sicherheitsrat wird schon nicht intervenieren, die Russen und die Chinesen sind auf meiner Seite. Massenmord. Was für ein wunderbares Wort! Alles einfach auslöschen! – Mit diesen erhebenden Gedanken kleidete er sich an und begab sich in den Frühstücksraum.
*
Ah, wunderbar! Schmeichel hatte bestens geschlafen und noch besser geträumt. Er war der liebe Gott und betrachtete sich wohlgefällig das Paradies, das er geschaffen hatte. Nackte Evas spielten im Gras, sie hatten Rüchel an einen Baum gebunden und veranstalteten ein Apfel-Zielwerfen auf den Gefesselten. Die Fesseln züngelten, es waren Schlangen. Adam stand gelangweilt daneben und applaudierte bei jedem Wurf, der in Rüchels Fresse landete. Schmeichel grinste, als er sich aus dem Bett schwang. Schöner Tag heute, spannender Tag heute. Rüchel würde versuchen ihn umzubringen, musste er auch, hätte Schmeichel an seiner Stelle auch getan. Komm nur, du Flasche. Jetzt schnell ins Bad und dann runter in den Frühstücksraum, sich am Anblick dieses Losers weiden.
*
Aha, da hockte er schon. Schmeichel. Fraß vergnügt, grinste. Jetzt nur nichts anmerken lassen, so tun, als sei alles in Ordnung. Er nahm sich Rührei, eine ganze Portion davon, einen Berg Rührei. Setzte sich zwei Tische von Schmeichel entfernt, begann zu schaufeln, das Ei klebte ihm an den Lippen, an den Wangen. Alles ganz normal, mach jetzt keinen Fehler. Rüberschauen zu dem Kerl. Noch lebte er, aber Rüchel sah bereits den Tod über dem Konkurrenten schweben, der große Typ mit der Sense, er freute sich auf Arbeit. Der Tod
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