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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Wirtschaft und Politik. Unsere Mitglieder sehen alle aus wie Zwillinge von Politikern und sonstigen Mächtigen. Verstehen Sie? ZWILLINGE. Deshalb wollen wir unser Treffen unbedingt bei Ihnen abhalten. Weil Sie natürliche Zwilling sind.“
    Doch kein schlechter Scherz? Der Anrufer versprach eine Anzahlung von 500 Euro per Eilboten zu schicken, höchstens 2 Stunden würde das dauern. Da knickten die Wirtszwillinge ein. 500 Euro, dafür konnte man schnell das Zimmerchen leer räumen. Tatsächlich: Nach exakt zwei Stunden erschien ein Fahrradkurier, blätterte fünf Hunderter auf den Tresen und verabschiedete sich. Die Zwillinge begannen sofort mit dem Ausräumen.
     
    *
     
    Im Autobus? Hallo? Wer war er denn? Doch immerhin der gewesene Präsident Frankreichs und daran gewöhnt, erster Klasse mit dem Flugzeug zu reisen und nicht mit einem ordinären Oootobüss! Auch die anderen rümpften die Nase, sogar der kleine Engländer, der sich endlich von den Feierlichkeiten seiner Queen hatte losreißen können und angereist war. Er mochte ihn nicht. Sozialist! Das waren die schlimmsten! Angeblich verdiente er 10 Millionen im Jahr. Pfund! Nicht diese popeligen Euros, über die er sich immer mit der SCHWARZEN WITWE gestritten hatte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, den Euroraum zu verlassen und das Pfund als Währung zu übernehmen. Naja, zu spät, musste jetzt dieser andere, dieser Holländer machen.
    Sie fuhren über breite Straßen an großen Gebäuden vorbei, die bekannte Namen trugen: VW, Siemens, Bosch, Hinternet, Mercedes. Fabriken, so nannte man das, wusste der kleine Franzose. Die Deutschen verbrachten die längste Zeit ihres Lebens in Fabriken, was ihn nicht verwunderte, denn Deutschland war ein potthässliches Land. Man hielt sich hier nicht gerne im Freien auf. Der kleine Italiener sah von seinem Pornomagazin auf und zwinkerte ihm zu. Genau, da war man als Südländer einfach schlauer.
    Inzwischen hatten sich der kleine Deutsche und der NRWehleidige bereits besoffen und grölten deutsche Volkslieder. Widerlich! Wenn der kleine Franzose besoffen war, musste er die wunderbaren Chansons seiner betörend schönen Frau grölen, die gerade mit ihrem betörend schönen neuen Kind in Frankreich weilte und sich vergnügte. Das wusste er genau. Sie war von der Natur so eingerichtet, immer nur Vergnügen, nur Vergnügen, niemals wäre sie auf den Gedanken gekommen, in einer Fabrik zu arbeiten.
    Wohin fuhren sie eigentlich? In eine Kneipe, hatte man ihnen erzählt. In eine deutsche Kneipe! Was für eine Beleidigung seines guten Geschmacks! Er sah wieder aus dem Fenster. Nichts als Fabriken, Fabriken, Fabriken! Graue Menschen, die aus dicken BMW- und Mercedeslimousinen stiegen, um ihrer eintönigen Arbeit nachzugehen. Wie gut, dass er kein Deutscher war.
     
     
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    Den Rest des Vormittags verbrachte ich mit Nichtstun, das ich Nachdenken nannte. Das Vokabular des höheren Beamtentums saß mir also schon in sämtlichen Genen. Ich überlegte mir, ob man an Vormittagen nicht besser vordenken sollte, damit man an den Nachmittagen besser nachdenken konnte... Ich weiß nicht, ob diese Reflexion irgendeinen Wert für die Menschheit besaß, aber sie erfüllte ihren Zweck: Sie vertrieb mir die Zeit.
    Von Wollzogen-Dünnbiers Besuch hatte mich tatsächlich nachdenklich gemacht. Warum wollte er, dass ich mit irgendwelchen Typen sprach, angeblichen Prominenten, die – wie der Butler ganz im Vertrauen geflüstert hatte – „nur ihre Pflicht tun“ wollten? Etwas stimmte hier nicht, ich witterte Ungemach. Dennoch hatte ich das Angebot meines Gastes, die Herrschaften heute Abend im Nebenzimmer der „Bauernschenke“ zu treffen, akzeptiert. Wir könnten essen und trinken was wir wollten, Geld spiele keine Rolle – aber natürlich würde genau Geld eine Rolle spielen, die beunruhigende Tatsache nämlich, dass es bald keine Rolle mehr spielen sollte. Aber war das wirklich so beunruhigend? Je mehr ich darüber nachdachte (oder vordachte?), desto zweifelhafter wurde mir die unbedingte Notwendigkeit von Währungssystemen. Früher hatten die Leute doch auch getauscht, oder? Sie saßen auf ihrer eigenen Scholle, waren Selbstversorger und immer, wenn die Hausfrau Schmuck oder was Geiles zum Anziehen wollte, wurde ein Schwein geschlachtet und bei einem, der Schmuck besaß, aber mal ein anständiges Schnitzel essen wollte, eingetauscht. Ok, es gab Grenzen. Jemand schreibt Gedichte und möchte eine Gucci-Handtasche dafür. Dumm gelaufen.

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