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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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uns blieb nichts weiter als zu lauschen, zu hoffen, dass wir nichts hören würden, und wir hörten auch nichts, bis Emilie „keiner da“ rief. Sofort hin.
    Eine größere, diffus belichtete Kammer, in deren Mitte eine eiserne Lore stand, über die ein dunkelblaues Tuch mit goldenen Sternen ausgebreitet war. Sah wie ein makabrer Sarkophag aus. Zwei Gänge führten weiter in die Dunkelheit hinein, aus dem rechten drangen jetzt näherkommende Stimmen an unsere Ohren und zwei nervös bewegte Lichter fraßen sich zu uns. „Hör zu, Schatz“, sagte ich zu Emilie und ging in die Knie, sah ihr fest in die Augen. „Wir verstecken uns in der Lore. Du ziehst dann das Tuch wieder schön glatt und erzählst nichts von uns. Soll doch eine Überraschung sein, verstehst du?“ Emilie nickte.
    So kam es, dass wir in der Lore hockten. Es war nicht einmal ungemütlich, doch von den Wänden her kroch Kälte in uns hinein, wir zitterten. Draußen die Stimmen der Männer und die Emiliens, erstere vorwurfsvoll, das Kind begann abermals zu weinen. Dann entfernte sich dieses Weinen, es war wieder still.
    Na, und nun. Aussteigen und weiterirren? Klar, was sonst. Etwas ließ uns zögern. Hier saßen wir vorläufig sicher, so sicher wie in unserem Kerker, ich dachte, na, das hätten sich mal die Ossis überlegen sollen, als sie unbedingt der Bundesrepublik beitreten wollten. „Komm“, sagte ich zu Borsig hin und der: „Nö, ich trau mich nicht.“ „Sei kein Frosch“, befahl ich, „ich bin aber einer“, bekannte sich der.
    Wieder näherten sich Stimmen. Flüstern, Pispern, Raunen. Unregelmäßige Schritte, jemand machte „oh!“, Kinderstimme. Und das bekannte hohe Organ aus dem Fotogeschäft, Krause also, der ein kerniges und herzloses „Sofort das Ding durch den Gang geschoben, marsch, faules Jungvolk“ diesem hinwarf. Unser Versteck vibrierte, bewegte sich. Wir hörten es keuchen, es wurde immer heftiger, „los, los, los“, peitschte Krause, „pass auf, Leander, dass du deinen Schuh nicht verlierst, Dummbock.“ Raussteigen und ihm eins in die Fresse geben, was hinderte uns daran?
    Noch mehr Geräusche, „ahs!“ und „ohs!“. Jemand – Dr. Habicht? – sprach von Weihnachtsgeschenken und davon, das Tuch von der Lore zu ziehen. Ich stieß Borsig an, griff seinen Kopf, hielt meinen Mund an sein Ohr. „Raus!“ Ich spürte wie der Kopf nickte und sofort wurde es hell über uns. Das Tuch war weggezogen worden.
    „Den Rest kennst du ja“, schloss ich und lächelte Hermine an. Wir saßen gemütlich an Heiligabend in ihrer Wohnung, nur gut, dass ich einen Trainingsanzug bei ihr geparkt hatte. Auch Borsig trug einen, aus Jonas’ Kleiderschrank, er war ihm zu weit und entschieden zu lang, aber wenigstens passten uns die Turnschuhe des Juniors. Vor uns standen 24 Schalen mit Erdbeersorbet in Champagner, wir hatten sie im Laderaum des Transporters entdeckt und hochgetragen. Nicht anzunehmen, dass uns Hermine noch ein Weihnachtsmahl kredenzen würde.
     
     
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    Nachdem der leckere Nachtisch verzehrt war und auch Hermine ihr Abenteuer erzählt hatte, saßen wir eine Weile schweigend zusammen, bis Borsig die Stille nicht mehr aushielt und sie mit einem lapidaren „Ihr seid Privatdetektive“ hinaus in die Weihnachtsnacht jagte. Hermine nickte, ich nickte, Borsig nickte. „Immerhin keine Bullen“, sagte er dann und „Um was geht’s denn?“ Das war die Preisfrage.
    Alles konnte eine einzige Geschichte sein, jeder schien jeden zu kennen. Frau Gebhardt und ihr windiger Begatter Honig hatten Stress mit Unbekannt wegen eines in Rätseln vor sich hin babbelnden Osterhasen. Lothar, der Bruder der Gebhardt, war ermordet worden, seine Event- und Cateringklitsche führten indes die Wirtszwillinge Helga und Monika munter weiter, ganz Großmuschelbach schien involviert, die Gebhardt kannte Dr. Habicht, der wiederum kannte Sonja und Georg Weber, dieser blieb verschwunden und jene mutierte zu einem immer größeren Fragezeichen.
    „Pervers“, stellte Borsig sachlich richtig fest, „ich meine diese sogenannte Weihnachtsparty.“ „Charles-Dickens-Weihnachtsparty“, präzisierte Hermine. „Ich stell mal den PC an und google, wer das war, dieser Charles Dickens, bestimmt auch so eine Drecksau.“
    Ich sagte es ihr, auch ohne Internet. Sie brummte nur „Scheiße“. „Das heißt“, reimte sich Borsig zusammen, „diese Reichen feiern Weihnachten wie in der vorindustriellen Zeit und geilen sich an Kinderarbeit auf und das Ganze

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