Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
quatschte einen blödsinnigen Satz, ich quatschte ein blödsinniges „Oh!“ und der Sparkassendirektor quatschte, an unseren Vorderfronten mit reichlich Volumen vorbei die Fernsehansagerin voll. „Wollen wir ergebnisoffen poppen?“ Die Dame verstand es nicht, Oxana, menschenfreundlich halt, wiederholte es ihr. Mich ging das nichts an. Ich brachte Osterinseln und Osterhasen in einen logischen Zusammenhang, verwarf ihn, Oxanas Mund schien noch immer an meinem Ohr zu hängen, jedenfalls glaubte ich ihn zu spüren, und dann wehte es wieder durch die Härchen, der Hammer hieb zärtlich auf den Ambos. „Und jetzt rate mal, was in der Plastiktüte war, die dieser Honig dabei hatte.“
110
Was für ein 28. Dezember! Was für ein Morgen! Ich erwachte, weil das Telefon geklingelt hatte, nicht in Wirklichkeit, sondern in einem wilden Traum, der kein Traum gewesen war, sondern ein zweistündiger Dokumentarfilm über atemberaubende Langeweile in einer angesagten Kneipe, als mir Oxana ins Ohr flüsterte und über unsere Köpfe hinweg heftig geflirtet wurde, als wir mexikanisches Bier tranken und plötzlich Oxanas Handy klingelte, Marxer selbstverständlich, der sich mitten in der Nacht so ganz allein in seiner Villa fürchtete und seine Angestellte anwies, nach Hause zu kommen.
„Tja“, sagte Oxana und nahm ihren Mund endgültig von meinem Ohr, „du weißt jetzt eh alles und wenn du willst, bleib noch hier und krieg die Fernsehansagerin rum. Den Idioten von Sparkassendirektor stichst du mit links aus.“
Oxana ließ mich kusslos zurück, jetzt, am Morgen danach, starrte ich in der Stille meines Zimmers an die Decke und versuchte, die Worte der Kasachin, die sie mir mit erheblicher erotischer Energie ins Ohr geflüstert hatte, zu verstehen.
Sie hatte den Gastgeber Bruggink aus einem Nebenraum kommen sehen, in seiner Spur wie ein artiges Hündchen der kriecherische Honig. Der sei, berichtete Oxana weiter, von einem Mädchen gebeten worden, es in die Stadt mitzunehmen, „so Typ renitente Jungstudentin. Bruggink ist der in die Parade gefahren, so ein Asket, musst dir vorstellen, könnte jederzeit den Julius Caesar spielen, aber nur auf RTL 2.“
Das Mädchen setzte sich durch, sie und Honig zogen von dannen. „Ich hab nach den Erfrischungsräumen gefragt – Klos kennen feine Leute ja nicht – und bin dann durch eine andere Tür in das Zimmer geschlichen, aus dem die beiden gekommen waren. Eine Art Bibliothek, also viele Bücher und ein riesiger Schreibtisch, auf dem liegt die Tüte und ein plüschi Häschen streckt seinen Kopf raus. Es waren zwei davon drin. Ihre Sprüchlein konnte ich mir nicht anhören, zu gefährlich.“
Also doch, Osterhase und Osterinseln. Ihrem fetten Galan hatte Oxana alle Informationen über Bruggink aus der Nase gezogen, mit dem Gastgeber selbst nicht gesprochen, der habe ihr nur einmal wohlgefällig zugenickt, nebst routiniertem Nacktscannen ihres Leibes. „Tourismuswerbung und bissel Lobbyarbeit, das macht so ein Honorarkonsul mehr oder weniger. Besuchen Sie die Osterinseln und betrachten Sie die großen Steinköppe.“
Okay, das mit den Köpfen wusste sogar ich. Und dass James Cook, der Entdecker, die Osterinseln auf seiner zweiten Reise besucht hatte, in seinem Gefolge der intellektuelle Großkopf Georg Forster, noch minderjährig zwar, aber so etwas wird heute in unserem Bildungssystem gar nicht mehr hergestellt. Ich quälte mich in die Senkrechte und sah auf die Uhr, halb elf, ging ja noch. Suchte, ähm, die Erfrischungsräume auf, machte Kaffee und Toast, das Telefon klingelte, Borsig. „Äh, die Kohle, wann kann ich damit rechnen? Miete wird fällig und so.“ Ich sagte ihm, was Sache war: 1000 für jeden, 1000 Spesen, 5000 erst einmal eingefroren. Er knurrte, aber akzeptierte schließlich. Wir verabredeten uns für 16 Uhr bei Hermine.
Hermine. Oxana. Sonja. Was hatte Sonja Marxer erzählt? Was diesen veranlasst, Oxana zur Beschattung des Gebhardtschen Anwesens abzustellen? Wieder Telefon, Hermine. „Wo warst du? Ich hab gestern Abend versucht, dich anzurufen.“ Ich erzählte es in groben Umrissen. „Okay“, sagte sie, „Oxana ist voll in Ordnung und außerdem lesbisch. Da beißt dir die Zähne aus, Schluri. 16 Uhr? Geht klar. Ich stell eine Sahnetorte in die Mikrowelle.“
Auflegen, am Kaffee nippen, Telefon, Oxana. „Die Kleine von gestern Abend, weißt schon, das ist Brugginks Tochter. Gibt Bilder von ihr im Netz, bei Facebook ist sie auch, Katharina Bruggink.
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