Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Liquidität der Spielhallenindustrie, um Binnennachfrage und Arbeitsplätze, doch Hermine, die Finanzministerin, blieb unbeugsam. Mehr als einen Hunderter bewilligte sie nicht, den Rest erhielt die Bank zur freundlichen Verschleuderung an den internationalen Finanzplätzen.
Borsig spielte den Hinterbänkler und schwieg. Sein Schalkemützchen bewegte sich im Takt der Kaubewegungen seines Trägers, die Mimikry wurde perfekt, als dabei unwillkürlich entstehende Stirnfalten suggerierten, Borsig räsoniere justament über komplexe Sachthemen, die weit über so Triviales wie die Frage, wie er ein weiteres Stück Kuchen abbekommen könne, hinausgingen. Oxana verspätete sich. Und ich selbst? Ich dachte an Sonja Weber und ärgerte mich darüber.
„Und jetzt?“ Hermine sah mich erwartungsvoll an, auch Jonas hatte seine Bemühungen um mehr Bargeld aufgegeben und fügte ein „Genau“ hinzu, während Borsig die Gelegenheit nutzte, sich einen weiteren Streifen Torte zu sichern und Laura überlegte, ob ein „cool“ angemessener wäre als ein „heiß“, vielleicht zu dem Schluss kam, es sei Zeit für ein „lau“ und lieber schwieg. „Ja und jetzt“, variierte ich schwachsinnig „Es gibt eine neue Spur, einen neuen Verdächtigen und einen Zusammenhang zwischen Osterhasen und Osterinseln. Das ist besser als nichts, um nicht zu sagen, das ist ziemliche Scheiße. Die Geschichte wird jetzt noch komplizierter.“
„Und wir haben St. Malo“; sagte Borsig überraschenderweise und ohne sich an seiner Torte zu verschlucken. „Der gute alte Regitz hängt dort grad ab – ich verfluche seinen Namen – und hat ein schräges Ding im Tornister. Gibt’s da einen Zusammenhang?“ Warum er dabei mich ansah, wird immer sein Geheimnis bleiben. Ich machte ein pflichtgemäßes „Tja“, überlegte kurz und führte aus, St. Malo sei eine Hafenstadt, in Hafenstädte gebe es Schiffe, die übers Meer fahren und die Osterinseln befänden sich, überhaupt kein Zweifel, mitten im Meer, denn das sei der Grund, warum man sie als Inseln bezeichne. „Hm“, machte Hermine wenig überzeugt. Das Klingeln an der Tür rettete mich davor, weitere Details dieser doch sehr abstrusen Theorie auf den Tisch legen zu müssen. Es war Oxana und sie trug unter einem eher unspektakulären Duffle Coat aus schwarz mattem Kunstpelz ein enganliegendes eiergelbes Kostüm sowie rote Lackstiefel bis zu den Knien, was selbst Jonas mit einigem verblüfften Wohlgefallen registrierte und einen Laura-Blick jenseits von heiß und cool erntete.
Oxana hatte schlechte Laune, sie machte keinen Hehl daraus. „Dieses Arschloch“, schimpfte sie, womit sie nur Marxer meinen konnte. „Na“, beruhigte Hermine, „jetzt reg dich erst mal ab und trink ein Käffchen. Die Torte schmeckt geil, schau dir mal den Kleinen an, der wird hier noch zum Tortensuchti. Ich schneid dir’n Stückel ab.“ Oxana nickte, wenig begeistert. „Marxer lässt mich nicht mehr an Sonja ran, der plant ein ganz linkes Ding.“ Ihre Stimmung hellte sich schlagartig auf. „Aber hey, eine Kasachin linken? Das haben die Sowjets in achtzig Jahren nicht geschafft, das wird dieser Spast umso weniger packen.“
Sogar Borsig stellte das Kauen ein und wartete auf Näheres.
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„Sonja steht noch immer unter Schock“, berichtete uns Oxana. „Sie verlässt ihr Zimmer selten und ständig streift Marxer um sie herum. Bringt ihr das Essen – das ich gekocht habe -, schickt mich mit überflüssigen Aufträgen aus dem Haus und wenn ich wiederkomme, sitzen sie zusammen und Marxer fragt Sonja aus. Aber das Schlimmste: Marxer schreibt.“
Das war tatsächlich eine Schreckensnachricht. Schriftsteller, die schreiben, sind beinahe so schlimm wie Müllwerker, die Müll schlucken und dann wieder ausspeien. Ein Krimiautor sollte von der Gesellschaft dafür bezahlt werden, seine schriftstellerische Tätigkeit auf Einkaufszettel und Steuererklärungen zu beschränken. Ein kleines Opfer für den einzelnen Menschen, aber ein großer Gewinn für die Menschheit. Dass Marxer schrieb, machte ihn zu einer Gefahr, manifestierte die perverse Verschwurbeltheit seiner Gedanken, ließ diese unsterblich werden, eine nur mit dem Weltuntergang zu entschärfende Zeitbombe, die hartnäckiger mit schädlichen Stoffen kontaminiert war als jedes gespaltene Uranatom.
Oxana nippte vom Kaffee, gabelte ein winziges Stück Torte, lobte beides knapp und mit wenig schauspielerischer Klasse, fuhr dann fort: „Mein Vater, Alexey
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