Die Eheprobe
Beispiel dafür, was euch Warten gebracht hat. Eure Partnerschaft spornt mich an. Sie lässt mich wünschen, besser zu sein. Ihr führt eine der solidesten, unerschütterlichsten, liebevollsten und zärtlichsten Beziehungen, die ich jemals gesehen habe, und es ist mir eine Ehre, morgen Brautjungfer bei eurer Hochzeit zu sein.«
Unauffällig versuche ich, meine schweiÃnassen Hände an meiner Hose abzuwischen.
»Ich weiÃ, ich sollte euch jetzt ein paar Ratschläge geben. Weise Ratschläge von jemandem, der seit zwei Jahrzehnten verheiratet ist. Ich habe keine Ahnung, welche Art Weisheit ich euch anbieten kann, aber eins kann ich euch sagen: In der Ehe gibt es keine Neutralität. Manchmal hätten wir das gerne, aber sich auf der Krankenstation zu verstecken und zu warten, bis der Krieg vorbei ist â so kann man nicht leben.«
Ich blicke in ein Meer verwirrter Gesichter. Oje.
»Was ich versuche, euch zu sagen, ist: Seid in eurer Ehe nicht Schweden. Auch kein Costa Rica. Nicht, dass mir Schweden oder Costa Rica nicht gefallen; das sind wunderschöne Orte zum Leben und für Reisen, und ich begrüÃe ihre Neutralität, zumindest aus politischer Sicht. Aber mein Rat lautet: Traut euch, lasst eure Ehe ein aufgeheiztes Land sein, das in den letzten Zügen einer Revolution liegt, wo jede von euch beiden einen anderen Dialekt spricht und ihr euch manchmal kaum versteht, aber das macht nichts, weil, na ja, weil jede von euch beiden kämpft. Weil ihr umeinander kämpft.«
Einige Gäste fangen an, sich etwas zuzuflüstern. Ein Frauenpaar verlässt seinen Tisch und geht an die Bar. Sie entgleiten mir. Was habe ich mir bloà dabei gedacht? Ich bin die wohl am wenigsten geeignete Person weit und breit, um in Sachen Ehe Ratschläge zu verteilen. Ich bin eine Hochstaplerin, ich sollte mich einfach wieder hinsetzen und die Klappe halten. Als ich gerade so weit bin, mich aus dem Staub zu machen, piepst mein Handy. Ich ignoriere es. Es piepst wieder.
»Wie peinlich, entschuldigen Sie bitte. Es könnte ein Notfall sein. Mein Vater, wissen Sie. Ich sehe nur kurz nach.«
Ich lege das Mikrofon weg und nehme mein Handy in die Hand. Eine Nachricht von John Yossarian.
18. Was haben Sie früher gerne gemacht, das Sie heute nicht mehr tun?
Ich blicke auf und sehe, wie mir William aus einer hinteren Ecke des Restaurants zulächelt.
Du Mistkerl , denke ich, du süÃer, lieber Mistkerl.
Ich nehme das Mikro wieder auf. »Hört mal, alles, was ich zu sagen habe ⦠alles, was ich zu sagen habe, ist â lauft, taucht, baut ein Zelt auf. Verbringt Stunden mit eurer besten Freundin am Telefon.«
Nedra springt auf und winkt wie Königin Elisabeth mit leicht hohler Hand.
»Tragt Bikinis.«
Mehr als nur leises Stöhnen aus der Gruppe der Frauen über vierzig.
»Trinkt Tequila.«
Gejohle aus der Gruppe der unter Vierzigjährigen.
»Wacht morgens grundlos glücklich auf.«
Die Leute fangen an zu lächeln. Gesichter entspannen sich. Augen glitzern.
»Jetzt hast du sie, Alice«, wispert Bunny. »Zieh sie an Land, ganz langsam.«
Ich atme einmal tief durch. »Legt euch ins Gras, träumt von eurer Zukunft, von diesem euren Leben mit Fehlern und von dieser eurer Ehe mit Fehlern bis hin zu dieser einen wahren Liebe mit Fehlern. Denn was ist da sonst?« William und ich sehen uns tief in die Augen. »Ehrlich gesagt, da ist sonst nichts. Nichts sonst ist von Bedeutung. Auf die Liebe.« Ich hebe mein Glas. »Auf Nedra und Kate.«
»Auf Nedra und Kate«, schallt es aus dem Restaurant zurück.
Völlig ausgelaugt lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen.
»Mom, du warst fantastisch«, sagt Peter.
»Ich wusste gar nicht, dass du so gut improvisieren kannst«, sagt Zoe.
Nedra schickt mir mit Tränen in den Augen Luftküsschen quer durchs Lokal.
»Wo ist Dad?«
»Da drüben.« Peter deutet nach hinten, wo er an einer Wand lehnt und uns mit seinem Handy in der Hand beobachtet.
Ich schnappe mir schnell mein Handy und tippe.
Lucy Pevensie hat John Yossarian zu einer Veranstaltung eingeladen:
Antrag
Jetzt
Im Gang zu den Toiletten
Teilnehmen Vielleicht Absagen
Kurz darauf erhalte ich eine Nachricht.
John Yossarian nimmt an deiner Veranstaltung Antrag teil.
»Bin gleich wieder da«, sage ich.
Ich stehe neben der Tür zu den Toiletten, und William tritt in das schummrige
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