Die Ehre der Am'churi (German Edition)
beherrschte sich, forderte nichts, erkundete sanft die Lippen, die er kurz zuvor so brutal in Besitz genommen hatte. Es fühlte sich so viel besser an, wie es jetzt war, so gut … Nach einigen Augenblicken erwiderte Ni’yo den Kuss, und die angstvolle Spannung in seinem Körper ließ ein wenig nach. Jivvins Hände lagen noch immer auf den Wangen seines Gefährten, strichen nun langsam durch das dichte, schulterlange Haar, liebkosten Hals und Nacken. Das schien Ni’yo zu beruhigen; er entspannte sich völlig, und plötzlich öffnete er die Lippen, hieß Jivvins Zunge mit der eigenen willkommen. Beinahe ängstlich wagte Jivvin sich vor, drang in den weichen, warmen Mund ein, umarmte den Mann, den er so sehr begehrte.
„Erzähl mir davon“, wiederholte Jivvin schließlich atemlos, als er sich widerstrebend von den Lippen trennte, die so süß schmeckten, immer noch so verheißungsvoll nahe waren.
„Ich war immer einsam, allein mit allem, was mir widerfuhr. Zwei Völker vereinen sich in meinem Körper, ein Gott hat mich berührt und beansprucht meine Seele, und trotzdem war und bin ich allein … Ich bin in einem Tempel voller Waffenbrüder aufgewachsen und war immer allein. Keine Familie, keine Freunde. Nur Feinde, deren Hass alles war, das mir zeigte, ich bin überhaupt anwesend.“ Ni’yo vergrub seinen Kopf an Jivvins Hals, klammerte sich so eng an ihn, als wollte er mit ihm verschmelzen. „Wann immer jemand mich verletzte, zeigte mir der Schmerz, dass ich noch lebendig bin. Ich liebe diese Schmerzen nicht, aber ich schätze sie trotzdem, verstehst du? Zumindest, wenn sie mich nicht so sehr schwächen, dass ich nicht mehr leben kann. In meinen Alpträumen, und gestern Nacht, als ich … als du … es war nicht der Schmerz, die Schande oder die Demütigung. Nicht einmal das Lachen des Dämons, das ich mir einbildete, oder das Gefühl, wehrlos ausgeliefert zu sein. Der ganze Hass … All das war schlimm, aber ich hätte es ertragen. Schlimmer als all das war die Einsamkeit. In meinen Träumen hast du mich benutzt, deine Lust an mir befriedigt. Aber obwohl du in mir warst, in mir drin, war ich einsam. Vollkommen allein.“
Unterdrückt schluchzte er auf, erstickte fast an den Tränen, die er nicht zulassen wollte. Jivvin streichelte ihm in gleichmäßigem Rhythmus über Arme und Rücken, versuchte ihm Trost zu geben. Er war so dankbar dafür, dass er es endlich versuchen durfte.
„Als du mich gestern gehalten hast, zum Essen, das war so gut … es war Nähe. Ich war niemals einem Mensch so nah, seit ich meine Familie verloren habe. Du hast mich nicht verabscheut, nicht bemitleidet, sondern einfach nur zugelassen, dass ich dir nahe bin. Und in der Nacht, bevor der Hass dich verschlang, das war … es hat mich erschreckt, aufzuwachen und deine Hände auf mir zu spüren, aber ich mochte es.“ Er blickte hoch, blind vor Tränen. „Ich mochte es!“, wiederholte er laut, als müsste er Jivvin überzeugen.
Fassungslos wiegte Jivvin ihn in den Armen, dicht an sich gedrückt, hielt ihn fest. Sollte sich wirklich alles zum Guten wenden? Wenigstens für einige Stunden? Er wagte beinahe nicht zu hoffen, doch noch viel weniger wollte er Zweifel zulassen. Wenn dies für ihn und Ni’yo die einzige Gelegenheit war, neunzehn Jahre Schmerz, Hass und Unglück zu überwinden, durfte er sie nicht vergeuden!
Beinahe unmerklich ließ er die Hände unter Ni’yos Hemd gleiten, streichelte den warmen Körper, bis sich die verkrampften Muskeln entspannten, der Atem sich beruhigte. Er zog seinen Gefährten mit sich zu Boden, suchte nach den vollen Lippen, küsste sie, erst sanft, dann fordernder. Leidenschaft entflammte seinen Leib, doch es war keine dunkle, unheilvolle Lust, die ihn beschämte, sondern eine wunderbare Kraft, die sich aus dem nährte, was er nahm, was Ni’yo ihm freiwillig schenkte, aus allem, was er selbst seinem Geliebten gab. Unwillig streifte er das störende Hemd über Ni’yos Kopf, wärmte die entblößte Haut des Kriegers mit seinen Händen und seinen Küssen. Ni’yo stöhnte, drängte sich ihm entgegen, zerrte nun seinerseits an dem Stoff, der ihn von Jivvin trennte. Lachend riss Jivvin das Hemd von sich, versank dann wieder in leidenschaftlicher Umarmung, genoss die starken Hände, die voller Neugier und Sehnsucht über seinen Körper strichen. Die Luft war eisig, doch das störte sie nicht.
Irgendwann waren die Küsse nicht mehr genug, verlangte es Jivvin nach mehr als nur dem Oberkörper seines
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