Die Ehre der Am'churi (German Edition)
anders, ich wollte dich …“ Verstört brach er ab. Ni’yo war noch blasser als zuvor geworden, reagierte aber sonst nicht weiter auf diese Enthüllung.
„Wie soll das denn jetzt weitergehen?“, fragte Jivvin ratlos. „Wie soll ich mit dem leben? Wie willst du damit leben? Was können wir denn jetzt überhaupt noch …“
Er verstummte, zu aufgewühlt, von zu viel Schuld zerrüttet, um noch denken zu können.
Ni’yo rang mit sich. Er wusste, was er tun wollte, tun musste, wollte er die Schuld gegenüber Jivvin abtragen. Hoffnung, Würde und einen Grund, weiterleben zu wollen, das alles schuldete er diesem Mann.
Und trotzdem zauderte er, denn er wusste nicht, ob er es tun konnte. Ob er es tun durfte.
Was hast du zu verlieren, Am’churi?, fragte er sich selbst. Nichts mehr. Außer vielleicht das allerletzte bisschen Hoffnung und Würde. Also nichts, was am Ende fehlen würde.
Er drehte sich ein wenig, lehnte sich leicht gegen Jivvins Schulter, zögernd und verkrampft.
„Ni’yo?“ Jivvin blickte sorgenvoll auf ihn herab. Genau das, was er jetzt überhaupt nicht wollte!
„Es ist alles gut. Ich würde nur gerne … wenn du nichts dagegen hast …“ Er hätte über seine eigene Verlegenheit schreien können. Warum sprach er nicht einfach aus, was er wollte? Zeigte deutlich, was er sich wünschte?
„Wir sollten etwas essen und weitergehen, oder?“
Ni’yo schüttelte stumm den Kopf und lehnte sich etwas nachdrücklicher an seinen Gefährten. Warum konnte es nicht so sein wie gestern, als sie so natürlich und vertrauensvoll dagesessen und gefrühstückt hatten? Wut auf sich selbst, alle Götter und Dämonen der Zwischenwelt und das Schicksal als solches brachte ihn zum Zittern.
„Ni’yo, was ist los?“ Jivvin schob ihn von sich, versuchte, ihm ins Gesicht zu blicken. Verzweifelt wich Ni’yo ihm aus, er wollte jetzt weder Sorge noch Mitleid ertragen müssen.
Da legte sich Jivvins Hand unter sein Kinn, zwang ihn behutsam, sich ihm zuzuwenden.
„Bist du sicher?“, fragte Jivvin heiser. Stumm nickte Ni’yo ihm zu, er wusste, was sein Gefährte meinte, war so dankbar, dass Jivvin es selbst erraten hatte.
„Ni’yo, willst du das wirklich? Ich meine, willst du es für dich? Es wäre … unerträglich, wenn du nur glaubst, mir einen Gefallen tun zu müssen, damit ich mich nicht schuldig fühle…“
Ni’yo fuhr zurück, als hätte er einen Schlag erhalten.
„Wie kannst du glauben, ich wäre überhaupt fähig, mich so zu erniedrigen?“, zischte er wütend. „Hältst du mich für eine Hure? Ich bettle nicht um Gefälligkeiten und ich würde mit Sicherheit NIEMALS …“
Ni’yo brach ab, erstickt von Wut und Fassungslosigkeit, wirbelte herum und floh, soweit die Fessel ihn ließ.
Ich sollte mir die Hand abschlagen und die Klippe da runterspringen, dann hab ich’s hinter mir!
„Ni’yo?“ Jivvin stellte sich hinter ihn, legte die Hand auf seine Schulter. Ni’yo versteifte sich, unfähig, noch mehr Demütigungen hinzunehmen.
„Bitte verzeih mir, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass du dir wirklich wünschst, berührt zu werden, nach allem, was war.“
„Lass mich einfach, Jivvin. Ich kann nicht mehr, lass mich!“ Er versuchte, sich aus Jivvins Griff zu befreien, doch der ließ sich nicht abschütteln.
„Ni’yo, sieh mich an!“
Jivvins Hand schloss sich um seinen Arm und zog ihn zu sich heran. Ni’yo wehrte sich nicht, er lehnte den Kopf gegen Jivvins Brust und umarmte ihn, haltsuchend, verzweifelt. Jivvin hielt ihn an sich gedrückt, streichelte beruhigend über seinen Kopf. Fast unhörbar wisperte er: „Du weißt so gut wie ich, dass Liebe zwischen uns keine Zukunft hat. Doch wenn du etwas anderes für mich fühlst als Hass und Furcht, dann … ich wäre so froh.“
„Ich weiß nicht, was ich empfinde, Jivvin. Ich weiß nur eines mit Sicherheit: Ich fürchte keinen Schmerz. Ich fürchte nicht den Tod. Mir ist egal, wie sehr man mich hasst. Wovor ich Angst habe ist Einsamkeit.“
Ni’yo blickte in die nussbraunen Augen, die ihn betrachteten, nicht von Hass oder Mitleid erfüllt, sondern von Staunen und Sehnsucht.
„Erzähl mir davon“, bat Jivvin. Er streichelte Ni‘yos Wangen, über sein Kinn, nahm seinen Kopf sacht zwischen beide Hände. Mit flackerndem Blick folgte Ni’yo ihm, fügte sich willig in den Kuss. Wellen flüssigen Feuers pulsierten durch Jivvins Adern, raubten ihm fast den Verstand. Doch er
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