Die Ehre der Am'churi (German Edition)
eine Gefahr für alle. Ich habe mich bewusst immer von anderen fern gehalten, um ihrer Ablehnung zu entgehen. Am’chur berührte mich sehr früh, ermöglichte es mir dadurch, zu überleben, dem Hass und der Angst aller Menschen standzuhalten. Er verlangte, dass ich allein gelassen werde, damit ich aus meiner Einsamkeit lerne. Daran wachse, von niemandem abhängig zu sein.“
„Warum hat mir Leruam nicht davon erzählt? Als ich dich damals vergiftet und sterbend gefunden hatte, sagte er mir einiges, verlangte von mir, dass ich dich weiter hassen soll. Warum hat er mir nicht die Wahrheit erzählt, statt mich davon abzuhalten, mein eigenes Verhalten zu hinterfragen?“
„Das solltest du gar nicht, Jivvin. Du warst von Anfang an von Leruam auserwählt, mich zu töten.“ Noch immer weigerte sich Ni’yo, ihn anzublicken. „Du bist der einzige Krieger, der machtvoll genug dafür ist. Leruam hasst mich nicht, er fürchtet nur, was ich werden könnte. Was geschieht, wenn ich einmal die Beherrschung wirklich verlieren sollte und das Erbe meiner Mutter in mir erwacht. Die Kräfte, die niemals hätten gemischt werden dürfen. Er würde mich nicht töten, nicht von eigener Hand, aber er wäre glücklich, wenn du mich als Problem beseitigst. Die ewige Sorge von ihm nimmst und ihm damit Erlösung schenkst … Am’chur hat sein Leben an das meine gebunden. Solange es mich gibt, muss Leruam auf Aru ausharren, darf nicht sterben, es sei denn, er wird ermordet. Er wirft mir das nicht vor, aber wenn du ihm diese Last abnehmen würdest …“
„Du meinst, er ist zu ehrenvoll, um die Dinge absichtlich zu ändern, aber er würde auch nicht eingreifen, um dir zu helfen, wenn er es nicht muss“, sagte Jivvin langsam.
„So ist es. Leruam bemitleidet mich, er würde mir nicht schaden. Er will dich stärken, Jivvin, nicht mich schwächen. Wenn ich schon vernichtet werden muss, sollst wenigstens du daraus als Gewinner hervorgehen.“
Ni’yo rückte ein wenig von ihm ab, legte den Kopf auf die Knie, von Jivvin abgewandt.
„Was du letzte Nacht getan hast, Jivvin, das warst nicht du. Das, was die Elfen in mir hinterlassen haben, hat deinen Verstand verwirrt, als du für einen Moment lang wehrlos warst. Dein … Verlangen nach mir hat dich überwältigt, so sehr, dass du mich unehrenhaft sterben lassen wolltest. Du bist schuldlos, Jivvin, darum verdienst du es nicht, getötet zu werden. Es war wieder einmal ich selbst, der das Böse in den Menschen weckte. Weißt du, all diese Macht über meinen Körper, die ich besitze, diese Kraft, ich würde sie jederzeit wegwerfen, wenn ich die Wahl hätte. Lieber wäre ich ein Bauer, ein gewöhnlicher Mensch, ohne Wissen, was ein Schwert überhaupt ist. Ich würde gerne mit nichts anderem meinen Tag verbringen als mit der Sorge um Acker und Vieh, als dieses Leben zu ertragen, das ich führen muss.“
Lange Zeit saßen sie schweigend nebeneinander, ein jeder in tiefe Gedanken versunken.
„Du sprichst mich von jeder Schuld frei, Ni’yo, aber ist es wirklich so?“, sagte Jivvin schließlich. „Wenn ich mich besser beherrscht hätte, dann hätte ich dich nicht angegriffen, oder? Schatten der Elfen hin oder her!“
Seufzend blickte der junge Mann zu ihm auf. „Vielleicht nicht in dieser Nacht, Jivvin, vielleicht erst heute, oder kommende Nacht. Aber es wäre geschehen, da bin ich mir sicher. Ich habe zu spät begriffen, was sich da entwickelte, konnte einfach nicht glauben, dass du echtes Verlangen nach mir hast. Ich dachte, es wäre nur eine neue Form von Hass, ein Mittel, mich zu quälen, nachdem du anhand meiner Alpträume erfahren hast, wovor ich mich fürchte.“
Jivvin schüttelte den Kopf, entschlossen, sich nicht von etwas frei sprechen zu lassen, für das er sich schuldig sah.
„Du hast diese Alpträume, weil ich dich schon vorher entehrt habe“, wisperte er. „In der Höhle, als du so erschöpft warst, da habe ich dich … angefasst. Es war Neugier, ich war sicher, dass du tief genug schläfst. Es gefiel mir so gut, ich konnte nicht aufhören … Aber ich habe dich nur angefasst, ich schwöre es! Das war das erste Mal, dass ich dich als Mensch sah, nicht als Feind. Nein, das zweite Mal. Als Perénn dich vergiftete, da war das auch schon einmal geschehen, aber damals hatte ich nur Mitleid mit dir. Leruam befahl mir, davon abzurücken, sprach davon, dass ich die zerstörerische Kraft in dir hassen und mich genau darauf konzentrieren solle … Aber da in der Höhle, das war
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