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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wieder beruhigt hat.«
     Im Nu war Thietmar auf den Beinen und zog sich die grobe Wolldecke fest um die Schultern. Mitten in der Nacht an einem Lagerfeuer sitzen, dies ließ er sich nicht zweimal sagen. Und außerdem, wer weiß, ob der böse Mann nicht wiederkam, sobald er die Augen schloss. Mit steifen Schritten stolperte der Knabe dem Schatten des Kriegers hinterher, der bereits den Rückweg angetreten hatte.
     »Beim Allmächtigen, so viele Feuer«, staunte Thietmar, als er auf die Wiese trat.
     Und in der Tat bot sich ihm ein gewaltiger Anblick. In einer weit auseinandergezogenen Kette brannten mindestens vier Dutzend Lagerfeuer und hauchten dem nachtschwarzen Wald ein eigentümliches, gelblich flackerndes Eigenleben ein.
     »Sieht gut aus, nicht wahr?«
     »Fantastisch«, bestätigte der kleine Junge, »aber warum so viele Feuer? So viele Leute sind wir doch gar nicht.«
     Der Wendenkrieger lachte leise.
     »Weil die feigen Blutegel, die da drüben das Dorf besetzt halten, sich vor Angst in ihre eisernen Röcke scheißen sollen, sobald sie auch nur einmal über die Palisaden blinzeln. Sie sollen denken, dass ihnen ein gewaltiges Heer, eines, was viele tausend Streiter stark ist, gegenübersteht.«
     »Und warum?«
     »Angst, so sage ich dir, mein kleiner Freund, Angst ist der größte Feind eines jeden Blutknechten. Angst macht unsicher und lähmt. Und wer Angst hat, der verliert auch die Übersicht, wird kopflos und ergreift zu gerne die Flucht.«
     Thietmar nickte bestätigend mit dem Kopf. Ja, Angst das war etwas, was er in den letzten Tagen, beim Allmächtigen, zur Genüge am eigenen Leibe kennengelernt hatte.
     Nachdenklich begann er mit einem herumliegenden Stock in der heißen Glut zu stochern und beobachtete, wie dessen Spitze Feuer fing. Von der Hitze nach oben getragen stoben leuchtende Funken auf, bis sie in einiger Höhe erloschen. Wie schön hätte doch alles sein können, wenn dieser bevorstehende Kampf nicht wäre. Warum nur mussten sein eigenes Volk und das Volk der Wenden immer wieder aufeinander losgehen und sich gegenseitig die Köpfe einschlagen? War denn nicht genug Platz für alle da?
     Plötzlich fielen ihm wieder seine Gedanken ein, jene, die ihm kurz vor dem Schlafengehen das Gehirn gemartert hatten. Ob sie wirklich etwas nützten? Keine Ahnung. Aber eine innere Stimme befahl ihm, dass er in dieser Nacht noch etwas unternehmen musste. Das war er seinen neuen Freunden einfach schuldig.
     »Was meinst du,« wandte er sich mit einem plötzlichen Ruck an den schweigsam gewordenen Krieger, »wird es morgen sehr viele Tote geben?«
     Bekümmerte Blicke und ein trauriges Nicken waren Thietmar Antwort genug. Also lag die letzte Möglichkeit, diesen unseligen Kampf vielleicht doch noch zu verhindern, allein bei ihm. Thietmar sog tief die kühle Nachtluft ein und atmete geräuschvoll aus. Noch nie in seinem Leben hatte der kleine Adelsspross sich selbst eine solche Last aufgebürdet. Aber so wahr ihm der Himmlische Vater beistehen möge, er würde es versuchen.
     Um keinen Verdacht zu erregen, gähnte er nun herzhaft und reckte seine Glieder.
     »Ich geh wieder schlafen«, murmelte er zum Wendenkrieger hinüber und erhob sich.
     »Träum was Schönes«, folgte der ehrlich gemeinte Wunsch, der den kleinen Jungen wehmütig an daheim erinnerte. Ach, wenn er doch bloß erst wieder in seinem eignen kuscheligen Bettchen liegen konnte. Aber vorerst hatte er noch eine Aufgabe zu erledigen.
     Am Schlafplatz angelangt, häufte Thietmar leise ein paar herumliegende Zweige auf und zog die Wolldecke herüber. Für einen flüchtigen Beobachter oder einen kurzen Blick von Rapak reichte dies völlig aus. Zudem war es im Wald fast stockdunkel. Niemand würde Verdacht schöpfen. Also machte sich der kleine Knabe, mit dem großen Herzen, flinken Fußes auf den Weg.
     
     Tief geduckt, manchmal auch auf allen vieren kriechend, bewegte sich Thietmar durch das hohe Gras der Wiese. Der Boden war weich und feucht, sodass er so gut wie keine Geräusche verursachte. Auch kam ihm nun seine Kleinwüchsigkeit, die er bei anderen Gelegenheiten schon oftmals verwünscht hatte, sehr zustatten.
     Die Richtung konnte er nicht verfehlen. In seinem Rücken brannten die vielen Feuer der Wenden, voraus leuchtet ein rötlicher Widerschein über die Palisadenspitzen. Ungeschoren und von niemandem bemerkt, erreichte der kleine Junge schließlich den Fuß des hölzernen Walls. Langsam richtete er sich auf, schaute nach

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