Die Ehre der Slawen
zog Udo nun seinen Dolch aus der Gürtelscheide und prüfte mit dem Daumen dessen Schärfe.
»Hm, von den vielen Heidenhälsen schon arg stumpf geworden«, spielte er sein bitterböses Schauspiel weiter, um seine Mannen erneut aufs Höchste zu ergötzen.
»Und rostig ist er auch schon ein wenig. Ich glaube, es wird mich allerhand Kraft kosten, bis ich die üble Lästerzunge heraushabe.«
Seine tapferen Blutknechte tobten wie der allerschlimmste Pöbel. Ungehemmt brüllten sie dem armen Knaben die grässlichsten Verschmähungen entgegen, dass sogar der abgebrühte, brutale Ritter leicht mit dem Kopf schütteln musste.
Erneut hob er den rechten Arm und augenblicklich verstummten die Krieger.
»Schluss jetzt!«, befahl er.
»Für mein Vorhaben brauche ich nun eine ruhige Hand. Wie ich schon sagte, mein Dolch ist nicht mehr der schärfste.«
Einige Leute kicherten, was ihnen einen verweisenden Blick einbrachte, der allerdings nicht ganz ernst gemeint war.
Der Ritter reckte den Dolch in die Höhe, damit er möglichst weit sichtbar war. Mit gemächlichen Schritten trat er dann auf Paddie zu, der mit aller Kraft die Zähne zusammenpresste. Zwei stiernackige Männer hielten seine Arme fest umklammert, während ein Dritter bemüht war, seinen Mund zu öffnen. Mit Fingern, in denen die Kraft einer großen Schmiedezange steckte, presste er den Unterkiefer des gepeinigten Knaben zusammen, dass dieser vor Schmerzen laut aufschrie.
»Ach, mein Junge«, verspottete der Ritter sein Opfer erneut, »glaube mir, es fällt mir bestimmt nicht leicht, was ich jetzt tue. Aber bei Gott: Ich muss es tun. Wenn ich dir nämlich deine böse Zunge lasse, beleidigt sie womöglich eines Tages noch unseren Herren. Und dann landest du für alle Ewigkeiten im Fegefeuer. Das tut noch viel mehr weh. Also komm, sei schön brav und zeige mir deine Zunge. Ich will dir doch nur helfen.«
Eine gespenstische Ruhe legte sich über den Platz, als Udo langsam seinen Dolch senkte. Das aufflackernde Lagerfeuer spiegelte sich blutrot im kalten Stahl des Dolches wider.
Kosi konnte unterdessen diesen furchtbaren Anblick nicht mehr ertragen.
»Nein! Tut es nicht!«
Nach diesem letzten, verzweifelten Aufschrei wurde ihr schwarz vor Augen und sie sackte kraftlos in den Armen ihrer Bewacher zusammen.
Udo frohlockte. Der Schrei dieser kleinen Kratzbürste war ziemlich laut gewesen. Er müsste gut auf der Insel zu hören gewesen sein. Wie zur Bestätigung seiner Gedanken schallte als Antwort ein zorniges Gebrüll über den See.
Kommt nur, meine kleinen Langhälse , feixte der Ritter heimlich, mein Messer wartet schon auf euch. Ich muss nur bei diesem Balg hier recht langsam vorgehen, damit ich auch seiner Kehle ein paar schöne, muntere Schreie entlocke. Dann sollte es eigentlich klappen.
»Mal sehen, was da so schön brennt, sagte die Motte und flatterte ins Feuer«, murmelte Udo vergnügt und drehte seinen Dolch langsam vor Paddies Augen hin und her.
»Halt, im Namen Gottes! Vergreift Euch nicht an dieser unschuldigen Kreatur!«
Udo hielt überrascht inne und sah, wie sich ein vor Zorn aufgebrachter Mönch, seinen Weg durch die aufgeputschten Männer bahnte. Im Schein des Feuers erkannte er schnell den lästigen Rufer.
»Oddar! Pfuscht mir nicht schon wieder ins Handwerk! Verschwindet!«
Einige der Zuschauer murrten, aber niemand wagte es, sich offen gegen den Glaubensverkünder zu stellen. Zu groß war ihre Angst vor der Allmacht Gottes. Sich offen gegen einen Priester stellen, das bedeutete unweigerlich: ewiges Fegefeuer! Und das, so wussten es alle, war der schönste Spaß der Welt nicht wert.
»Ritter, sitzt Euch schon wieder der Leibhaftige im Nacken? Habt ihr Euren heiligen Eid vergessen?«
Wie in Zeitlupe ließ Udo den Dolch sinken. Wut und Zorn gleichermaßen brachten sein Blut in Wallung und verzerrten seine Züge zu einer satanischen Fratze.
»Lästiger Kreuzkriecher! Verschwindet aus meinen Augen, bevor ich mich diesmal ganz und gar vergesse! Was habt Ihr denn schon für eine Ahnung, welche Kriegslist ich derzeit übe. Viel zu oft schon seid Ihr mir in den Arm gefallen, als dass ich mich noch allzu lange beherrschen vermag. Wenn Ihr jedoch meine Pläne diesmal erneut durchkreuzt, dann soll es endgültig das letzte Mal gewesen sein.«
Der mutige Mönch ließ sich durch derartige Drohungen allerdings nicht abschrecken. Während er langsam sein geweihtes Kruzifix erhob und dem Ritter furchtlos
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