Die Ehre des Ritters (German Edition)
Treppenabsatz Wache stand, blickte ihr stirnrunzelnd nach, als sie sich an ihm vorbeiduckte und den feuchten, modrig riechenden Kerker betrat. Ein einziges Binsenlicht zischte in seiner Halterung neben der Tür. Der Schein des zarten, flackernden Flämmchens war dennoch hell genug, um ihr zu zeigen, dass sich niemand dort aufhielt. Die Zellen waren verlassen, nichts als stille Leere umgab sie. Suchend ging sie weiter und lugte in die dunklen Ecken.
»Er ist fort.« Eine tiefe Stimme erklang hinter ihr. Sie wirbelte atemlos herum und sah Sebastian hinter sich auf einem Faltstuhl in der Dunkelheit sitzen.
»Wo ist er hin?«, fragte sie.
»Das hat er nicht gesagt, Mylady.«
»Wird er …« Sie tat einen raschen Atemzug und mühte sich um Festigkeit in der Stimme. »Wird er zurückkommen?«
Der Earl blickte sie an, in seiner sorgsam verschlossenen Miene zeichnete sich Mitgefühl ab. »Ich weiß es nicht.«
Die Worte versetzten Isabel einen heftigen Stich, der sie schier zu zerreißen drohte. Nur mit Mühe gelang es ihr, die Fassung zu wahren. Griffin war fort. Er war ohne ein Wort des Abschieds von ihr gegangen. Allein der Gedanke war so schmerzlich wie eine frisch aufgerissene Wunde. Warum sie seine Abreise indes überraschte, war ihr unbegreiflich. Bereits an dem Tag im Kloster hatte er versucht, sie loszuwerden, und nun hatte sich ihm eine neue Gelegenheit geboten, die er offenbar erfolgreich genutzt hatte.
»Ich habe ihm angeboten zu bleiben. Unter den gegebenen Umständen erschien es mir das Mindeste, was ich tun konnte«, sagte Sebastian. »Ich nehme an, Ihr wisst, wovon ich spreche, Mylady.«
Isabel nickte schwach. »Eure Mutter hat mir alles erklärt … was geschehen ist, was sie getan hat.«
Der Earl erhob sich von seinem Stuhl und schritt zu der offen stehenden Tür der Zelle. Er umfasste die Eisenstangen und ließ den Blick über die Granitdecke und die drei robusten Steinwände schweifen, die die Zelle umgaben. »Fast mein ganzes Leben lang wurde ich dafür ausgebildet, mich mit Freude den noblen, ehrenhaften Aufgaben eines Lords zu widmen. Man hat mir als Junge das unbekümmerte Draufgängertum und als jungem Mann den Sinn für Abenteuer ausgetrieben, allein der Verpflichtungen wegen, die Montborne mir auferlegt. Seit Langem schon hege ich das Gefühl, das Leben eines anderen zu führen, aber ich hatte keine Ahnung, wie recht ich damit hatte.« Er versetzte der Gittertür einen kräftigen Stoß, woraufhin diese krachend an die Wand schlug. »Es ist, als hätte man mich seit dem Tag meiner Geburt körperlich an diese Burg gefesselt.«
»Und nun seid Ihr an eine Braut gefesselt, die Ihr nicht wollt«, sagte Isabel in Erinnerung an ihr Gespräch auf dem Weg nach Montborne, bei dem Sebastian ihr eingestanden hatte, dass eine Ehe nicht das war, was er wollte.
Sebastian blickte sie über die Schulter hinweg an. Das Binsenlicht tanzte auf seinem anziehenden Gesicht und verlieh seinem rabenschwarzen Haar einen seidigen Schimmer. »Uns wird nur der Name verbinden, darauf habt Ihr mein Ehrenwort, Mylady. Ich respektiere Eure Gefühle für meinen …«, er zögerte, als müsse er ein Wort in einer fremden Sprache aussprechen, »… meinen Bruder. Ich werde mich Euch nicht aufdrängen. Solltet Ihr in den nächsten Monaten ein Kind von ihm zur Welt bringen, werde ich es behandeln, als wäre es mein eigenes, und keinen Groll gegen Euch hegen.«
»Oh, Sebastian«, sagte Isabel sanft. Seine Freundlichkeit berührte sie tief. »Seht Ihr denn nicht? Ich kann Euch nicht ehelichen, ob wir nun in Wahrheit oder nur dem Namen nach verbunden wären. Mein Herz gehört Griffin. Und es wird immer ihm gehören.« Selbst wenn er sie so gering schätzte, dass er sie, ohne sich auch nur noch einmal umzusehen, in Montborne zurückließ. Sie wusste indes, dass sie einen Weg finden würde, ihn aufzuspüren und ihm ihre Gefühle zu gestehen, gleichgültig, was sie dafür auf sich nehmen musste. »Ich werde meine Sachen packen und morgen früh abreisen. Ihr habt Euch sehr gütig gezeigt, und ich möchte Eure Freundlichkeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.«
Sie neigte ehrerbietig den Kopf und machte einen Schritt auf die Tür zu.
»Mylady, ich glaube, Ihr versteht nicht ganz.«
Hätte seine Stimme nicht so sanft geklungen, wäre Isabel vielleicht weitergegangen. Ob seines milden Tons indes wurde ihr flau im Magen, und eine Woge der Furcht brandete in ihr auf. Sie blieb stehen und wandte sich langsam zu ihm um. Sebastians
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