Die Ehre des Ritters (German Edition)
den Nacken gelegt, den Mund geöffnet, die Lippen gerötet und glänzend von seinem Kuss.
Er konnte sie immer noch spüren, fühlte immer noch den seidigen Tau ihres Körpers und das Beben ihrer erwachenden Leidenschaft, die unschuldige Hingabe, die ihn schier überwältigt und in ein Tier verwandelt hatte, das ihr die Unschuld inmitten eines Klostergartens gestohlen hätte. Immer noch stehlen würde, wie er wusste, denn obgleich er sein Verlangen nach ihr in Schach hielt, brannte es dennoch leidenschaftlich in ihm. Er fluchte in die Dunkelheit und hoffte damit, die unerwünschte Versuchung ebenso leicht aus seinem Kopf zu vertreiben wie das Atemwölkchen, das er tief seufzend in die kalte, mondbeschienene Nacht ausstieß.
Wie eine Antwort auf diesen Seufzer vernahm er hinter sich ein leises Geräusch. Zögernde Schritte, ein Luftzug. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass sie es war. Er nahm ihre Nähe inzwischen ebenso instinktiv wahr wie seine eigenen Gedanken und musste sich zwingen, sich nicht zu ihr umzudrehen, um sie anzublicken.
»Ihr dürftet nicht hier draußen sein, Isabel.« Sie beachtete die Warnung in seinem Ton nicht, sondern schwieg, doch er hörte, wie sie einen kleinen Schritt auf ihn zumachte. Seine Miene verfinsterte sich. »Es ist kalt, Mylady. Und es ist spät.«
»Ich … ich wollte Euch sehen.«
Er schloss die Augen, um sich ganz auf den angstvollen Unterton in ihrer Stimme zu konzentrieren. Er wusste, dass er dafür verantwortlich war. Mit zusammengepressten Zähnen lauschte er reglos ihren sich nähernden Schritten. Eine Brise fegte über das Kopfsteinpflaster des Durchgangs und brachte ihre Röcke zum Rascheln. Er konnte den Schauer fast spüren, der sie überlief. Konnte sich vorstellen, wie eine Gänsehaut ihre Brust überzog, ihre Brustknospen sich straff unter dem Stoff aufrichteten …
Er atmete scharf ein, um sogleich einen Fluch zu unterdrücken, als Isabel einen weiteren Schritt auf ihn zumachte. Von der Kapelle im Herzen des labyrinthartigen Anwesens drang das leise Murmeln des Gebets zu ihnen herüber. Der Gesang der Mönche wurde sanft in die Nacht hinausgetragen, der würzige Duft von Weihrauch und Kerzenrauch wehte mit dem Wind davon. Griffin hielt den Blick auf den dunklen Hof gerichtet, die Schulter an die antike Laibung des Mauergewölbes gelehnt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und ballte die Fäuste, damit er die Hände nicht nach ihr ausstreckte. »Ihr solltet in Eurer Kammer sein, Mylady.«
»Nein, Mylord. Nicht, ehe Ihr gehört habt, was ich Euch zu sagen habe.«
Er erwartete, dass sie ihm eine Ohrfeige für sein Verhalten im Garten gab. Sie hatte gewiss jedes Recht, gekränkt und aufgebracht zu sein. Er erwartete, dass sie von ihm die Wiederherstellung ihrer Ehre verlangte, und hoffte halbherzig, sie würde darauf bestehen, dass er das Kloster sofort verließ. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie ihm sagte, wie sehr sie ihn verachtete, wie sehr sie sich wünschte, dass er für immer aus ihrem Leben verschwände.
Er hätte es tatsächlich verstanden. Griffin hörte, wie sie hinter ihm zitternd einatmete, und wartete darauf, dass sie die Worte aussprach, die sein Herz brechen würden.
»Ich war gerade erst zwölf Jahre alt, als man mich ins Kloster schickte«, sagte sie gefasst. »Mein geliebter Vater war des Hochverrats angeklagt worden, ein Wort, das ich damals noch nicht ganz begriff, außer dass allein seine Nennung unsere Familie in ihren Grundfesten zu erschüttern vermochte. Mein Vater hatte einige Jahre zuvor den König verraten und sich mit Männern verbündet, die einem anderen die Krone aufs Haupt setzen wollten.«
»Richard«, sagte Griff. Er wusste um die Machtkämpfe innerhalb der königlichen Familie, die es während der Regentschaft von Henry Plantagenet gegeben hatte. Ironischerweise hatte dieses Gerangel um Macht noch immer kein Ende gefunden. Zwar saß Löwenherz inzwischen auf dem Thron, doch sein jüngerer Bruder schmiedete bereits Ränke, um ihn zu stürzen.
»Es war ein altes Verbrechen, eine fehlgeschlagene Rebellion, die angesichts Henrys nahendem Tod nicht länger von großer Bedeutung war«, erklärte Isabel. »Aber als der König Gerüchte über die Rolle seines Vasallen bei diesem Verrat zu Ohren kamen, verlangte er eine Erklärung. Er sandte seine Soldaten nach Lamere, um meinen Vater zu befragen und ein Geständnis oder einen Widerruf zu erhalten.« Isabel lachte freudlos. »Er hätte sagen können, dass die Gerüchte
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