Die Ehre des Ritters (German Edition)
Band und schlug das Leintuch zur Seite, um zu enthüllen, was es verbarg.
Der Anblick raubte ihr den Atem.
Zum Vorschein kamen eine cremefarbene Chainse und ein nach der neuesten Mode geschnittenes Gewand aus feinster himmelblauer Seide. Die Ärmel weiteten sich glockenförmig und liefen in einer langen Spitze aus. Unter dem engen Mieder ergossen sich viele Ellen durchscheinender Röcke. So edel und außergewöhnlich wie diese Robe, so aufsehenerregend war auch die feine Stickerei, die sie schmückte. Kragen und Saum zierte eine Girlande wunderschöner, aufgestickter Schmetterlinge, die in allen Farben des Regenbogens schillerten. Die juwelengleichen Fäden spiegelten das Sonnenlicht wie funkelnde Diamanten. Ein Paar farblich passender Seidenschuhe fiel heraus, als sie das Gewand ausbreitete, um es eingehend zu bewundern. Isabel hatte noch nie so etwas Schönes, so etwas Außergewöhnliches gesehen.
»Ich sagte dir ja, ich werde dich für deine Ankunft in Montborne wie eine Königin kleiden«, meinte Griffin, als sie ihn sprachlos anblickte. Sein Lächeln war sehnsüchtig, und er musterte sie so eindringlich, als sähe er sie in diesem Augenblick zum letzten Mal. »Vielleicht machst du mir die Freude, es nachher zu tragen?«
»Natürlich«, rief sie, immer noch von Ehrfurcht ergriffen ob der Schönheit des Kleides. »Aber wie hast du … Wo hast du es bekommen?«
»Ich habe es in einem Laden in Derby entdeckt. Der Schneider hatte es für eine Edeldame in der Stadt angefertigt, aber ich nannte ihm einen guten Preis, und er war bereit, es mir zu verkaufen.«
»Warst du deshalb den ganzen Morgen fort?«, fragte Isabel atemlos, verblüfft, dass er solche Anstrengungen – und große Gefahren – auf sich genommen hatte, allein ihretwegen. Je länger sie darüber nachdachte, desto aufgeregter wurde sie. »Griffin, das hättest du nicht tun sollen. Wenn Dominics Männer dich nun entdeckt hätten? Wenn sie dich gefangen genommen hätten?«
Er schenkt ihr ein verschmitztes, verwegenes Lachen. »Ganz offensichtlich haben sie das aber nicht.«
»Dieses Kleid ist so wunderschön …« Sie hob es hoch und bewunderte erneut seine Herrlichkeit. »Griffin, es muss ein Vermögen gekostet haben.«
Er zuckte abwehrend die Schultern, lehnte sich auf der Decke zurück und betrachtete sie in geheimnisvollem Schweigen. Sie musterte seine selbstzufriedene Miene, das genüssliche Lächeln. Ihr Blick schweifte über seine stattliche, muskulöse Gestalt … und plötzlich bemerkte sie, dass seine Börse fehlte. Die Börse, die alles enthielt, was er besaß, den gesamten Lohn, den er monatelang gespart hatte, um ein neues Leben anzufangen. Er hatte alles ausgegeben.
»Das war es wert«, sagte er und beantwortete damit ihre Frage, ehe sie die Stimme wiedergefunden hatte, um sie zu stellen. »Du bist es wert.«
Für eine ganze Weile konnte sie nur mit großen Augen auf die Robe blicken und sich fragen, wie sie dieses Kleid jemals tragen sollte, ohne dabei an Griffin zu denken, ohne daran zu denken, wie viel er ihr bedeutete, immer bedeuten würde. »Danke«, sagte sie schließlich mit vor Rührung leiser, zittriger Stimme – ein schwaches Wort. Sie legte das unerwartete, herrliche Geschenk zur Seite, beugte sich vor und gab ihm einen Kuss.
Es hatte ein keusches Zusammentreffen ihrer Lippen sein sollen, eine Dankesgeste für einen geschätzten Freund, doch als sie die Augen wieder öffnete, saß Griffin reglos da und schaute sie mit verhangenem, ja glühendem Blick an. Erfüllt von derselben Hitze, demselben Begehren, das in ihr erwacht war.
»Ich werde dich vermissen«, flüsterte sie atemlos, gestand ohne zu überlegen ihre Gefühle ein, ohne sich darum zu kümmern, ob es recht war oder nicht. »Oh, Griffin, wie soll ich je ohne dich leben?«
Griffins Blick glitt bei ihren Worten zu ihrem Mund. Er presste die Lippen zusammen und stieß rau die Luft aus. Und dann küsste er sie. Ein leises, tiefes Stöhnen entwich ihm, als ihre Lippen in verzweifelter Sehnsucht miteinander verschmolzen. Er umfing ihre Wangen, seine starken Finger zitterten, vergruben sich in ihrem Haar und verschränkten sich besitzergreifend in ihrem Nacken, um sie an sich zu ziehen. Er beugte sich über sie, drückte sie sacht zurück auf die Decke und küsste sie mit einer ungestümen Leidenschaft, die sie beinahe in Tränen ausbrechen ließ.
Immer wieder flüsterte sie seinen Namen, atmete ihn aus wie ein Gebet, an seinen Lippen, seinen Wangen, seinem Hals.
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