Die Ehre des Ritters (German Edition)
Leder, das sie nun aneinander fesselte.
»Ihr werdet heute Nacht an meiner Seite bleiben, Mylady. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr mit Eurer Freundin einen Fluchtplan schmiedet, während ich schlafe.«
»Ihr arroganter …« Sie betrachtete ihn aus schmalen Augen, offenbar erzürnt, dass er ihre Absicht erraten und ausgesprochen hatte. Sie zog an dem anstößigen Riemen und schnaufte verstimmt, als der Knoten sich nicht lockerte.
Während seine Männer sich ihr eigenes Schlaflager um das niedergebrannte Feuer richteten, führte Griffin seine Gefangene fort von ihrer schniefenden, aber nun beträchtlich friedlicheren Begleiterin zu einer mit Moos gepolsterten Stelle, die ihm als behelfsmäßige Bettstatt geeignet schien. Er breitete den Mantel wie eine Decke auf dem Waldboden aus. Dann setzte er sich auf den warmen wollenen Stoff, und da die Lady nicht willens schien, sich neben ihm niederzulassen, zog er sie kurzerhand am Zügel zu sich.
»Ruht Euch aus«, sagte er, als sie sich hastig mühte, aufzustehen, denn sie war praktisch auf ihn gefallen. »Vor Sonnenaufgang reiten wir weiter. Ihr tut gut daran, etwas zu schlafen, solange wir rasten.«
»Nicht, solange Ihr neben mir atmet«, erwiderte sie schnippisch.
Griff lachte über ihr Temperament. »Ganz wie Ihr wollt, Mylady. Aber seid gewarnt, ich habe einen leichten Schlaf. Wenn ihr an dem Riemen auch nur leicht ruckt, werde ich es merken.«
Starrköpfig blieb Isabel mehrere Stunden sitzen, selbst als ihr Entführer mit geschlossenen Augen und ihr zugewandtem Gesicht neben ihr lag und seine tiefen Atemzüge verrieten, dass er eingeschlafen war. Finster blickte sie ihn an und fragte sich, welcher habgierige Schuft sich am anderen Ende des Lederriemens befand, der sie gefangen hielt. Wichtiger noch, wohin wollte er sie bringen, und warum hatte er sie entführt?
Wie auch immer, Isabel hegte nicht die Absicht, untätig bis zum Morgen herumzusitzen, um die Antwort herauszufinden. Sie musste fliehen. Sie musste auf eigene Faust den Weg nach Montborne finden. Nur wie? Nachdenklich blickte sie auf den dicken, festen Knoten an ihrem Handgelenk. Den würde sie niemals lösen können.
Die schlanke Sichel des Mondes wies ihr durch das Blätterdach der Eichen und Kiefern hindurch schließlich einen Weg. Der milchige Lichtstrahl, der vom Nachthimmel fiel, brachte den gehämmerten Stahlgriff des Dolches ihres Entführers zum Funkeln – jene Waffe, mit deren Hilfe er Felices Gejammer beendet hatte.
Sie steckte in der Scheide an seinem Gürtel, kaum eine Armlänge von ihr entfernt. Wenn sie es wagte, sich neben ihn zu legen, wäre sie der Waffe sogar noch näher. Die Freiheit war in Reichweite. Konnte es wirklich so einfach sein? Ihr Gewissen rief ihr rasch seine Warnung in Erinnerung: Er hatte einen leichten Schlaf. Konnte sie darauf hoffen, dass es ihr gelänge, seinen Dolch zu stehlen und ihre Fesseln zu zerschneiden, ohne dass er es merkte?
Es war ein gewagtes, leichtsinniges Unterfangen, so viel stand fest. Allerdings musste sie es versuchen.
Langsam und lautlos sank Isabel nieder. Sie streckte ihre Glieder aus, als wolle sie schlafen, und wagte dabei kaum zu atmen, um auch ja keinen Laut von sich zu geben. Stumm betete sie darum, er möge weiterschlafen, während sie sich ihm zugewandt auf die Seite drehte. Sie wartete eine Weile, um sicherzugehen, dass sie ihn nicht aufgeweckt hatte, und da sie ihm so nahe war, konnte sie nicht umhin, seine verwegenen, attraktiven Züge zu bewundern.
Seine breite Stirn verschwand fast ganz unter dem sandfarbenen Schopf. Die seidig gewellte, lange Mähne umrahmte seine atemberaubenden, gebräunten, wie gemeißelt wirkenden Wangen und das strenge, kantige Gesicht, das selbst im Schlaf eine Aura von Ungezähmtheit ausstrahlte. Eine silberne Narbe zog sich über sein Kinn, ein grimmiger Bogen farbloser Haut, der dem rauen Charme seiner Züge indes keinen Abbruch tat, ihn vielmehr auf wundersame Weise noch anziehender wirken ließ. Die Farbe seiner Augen konnte sie nicht erkennen, da sie glücklicherweise immer noch geschlossen waren. Doch waren sie von dichten dunklen Wimpern umrandet, um die ihn jede Frau beneidet hätte. Die gerade Linie seiner markanten, kühnen Nase wurde nur durch eine leichte Kerbe durchbrochen, die von seiner gewalttätigen Lebensweise zeugte. Sein sinnlich geschwungener Mund, so dachte Isabel, erzählte stumm von verruchten sündigen Begegnungen und geflüsterten verführerischen Lügen, die eine Frau
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