Die Ehre des Ritters (German Edition)
betören und ihr die Sinne rauben sollten.
Im Mondlicht wirkte er wie ein gefallener Engel, einnehmend gut aussehend, aber unleugbar gefährlich – und seltsamerweise auch irgendwie auf rätselhafte Weise vertraut.
Sie verspürte einen kühlen Schauer, der wenig mit der frischen Herbstluft zu tun hatte, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die zu erledigende Aufgabe. Mit angehaltenem Atem streckte sie langsam die Finger aus und hielt in der Mitte zwischen ihren Körpern inne. Nervös, den Blick auf seine Augen gerichtet, tastete sie sich weiter vor. Bei jedem seiner Atemzüge hoben sich seine Brust und sein Bauch und streiften ihre Fingerspitzen.
Fast hatte sie es geschafft.
Angespannt biss sie sich auf die Unterlippe und berührte den Gürtel an seiner Hüfte. Nur noch eine Handbreit und sie würde den Griff des Dolches berühren. Sie konnte die Freiheit schon beinahe schmecken.
Nur noch ein kleines Stück.
Sie streckte den Arm aus, rückte einen Fingerbreit näher an ihn heran – und wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren, als er sich plötzlich bewegte. Pfeilschnell zog sie die Hand zur Brust zurück. Wie erstarrt lauschte sie seinem Seufzen und musterte ihn in stummer Angst, als er sich leicht regte.
Gleichwohl wachte er nicht auf.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und sie wartete, bis ihre Angst so weit gewichen war, dass sie wieder atmen konnte, um es auf ein Neues zu versuchen. Dieses Mal war sie kühner, denn sie wusste, ihr blieb nicht viel Zeit, und die wahre Schwierigkeit bestand darin, den Dolch aus der Scheide zu ziehen, ohne den Drachen zu wecken. Sie betete gleichermaßen um ruhige Finger und Mut, streckte die Hand aus und griff direkt nach ihrer Beute. Der glatten Linie seines Schwertgürtels folgend hielt sie erst inne, als sie den kühlen Griff des Dolches unter ihren Fingern spürte. Sie schluckte ihre Angst hinunter, umfasste die Waffe und zog sie behutsam aus der Scheide.
Ehe sie es sich versah, war ihr Arm unter einem kräftigen unnachgiebigen Gewicht gefangen.
Sie konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Schlimmer noch war der Schrecken, den sie erlitt, als sie aufsah und feststellte, dass ihr Entführer sie hellwach anblickte. Seine Nase berührte fast die ihre, und er verzog den Mund zu einem spöttischen, teuflischen Grinsen.
»Dort findet Ihr nichts als Ärger, Mylady.«
»Lasst mich los!«, rief sie verzweifelt, entsetzt über die Position, in der sich ihre Hand plötzlich befand.
Harte Muskeln und seine schlanke Hüfte pressten ihren Arm zu Boden, während ihre Handfläche – gütiger Himmel – offen unter ihm lag und ihre Finger etwas Hartes berührten, von dem sie nur hoffen konnte, dass es der Dolch in der Scheide war. Himmel hilf, so nah war sie bisher dem Schoße eines Mannes noch nie gekommen, und sie hegte nicht den Wunsch, dies nun zu ändern, ganz besonders nicht, wenn der Schuft, der sie in solch unangenehmer Lage unter sich festhielt, dies auf teuflische Weise auch noch zu genießen schien. »Runter von mir«, stieß sie hervor. »Ich bitte Euch, gebt meinen Arm frei!«
Er erhob sich gerade so weit, dass sie ihre Hand unter ihm hervorziehen konnte, hielt sie aber zwischen seinen aufgestützten Armen weiterhin gefangen. Wehrlos unter seinem kraftvollen Körper konnte Isabel nichts weiter tun, als ihn wortlos anzublicken und sich zu fragen, was er nun mit ihr zu tun beabsichtigte. Sie hatte sich ihm ganz offen widersetzt. Felice hatte ihn lediglich verärgert und war nun gefesselt und geknebelt. Welche Demütigung würde sie für ihr dreistes Handeln erleiden? Sie setzte eine kühle Miene auf, obwohl sie innerlich zitterte und vor Angst nicht einmal daran zu denken wagte, wozu ihre Kühnheit diesen Mann wohl verleiten würde.
»Ich habe Euch gebeten, jeglichen Gedanken an Flucht aufzugeben. Was hattet Ihr vor, Mylady? Mich im Schlaf zu töten?«
»Nein!«
Seine Augen wurden schmal. »Für eine Dame, die behauptet, die Wahrheit zu ehren, verdreht Ihr die Tatsachen sehr geschickt.«
»Ich hätte Euch kein Leid angetan«, schwor sie, überrascht – und auch etwas enttäuscht –, dass ihr der Gedanke nicht selbst gekommen war. »Ich wollte mich nur befreien. Ich wollte meine Fesseln durchschneiden und gehen.«
»Nach Montborne?«
»Ja!«, stieß sie atemlos hervor. »Bitte, Ihr müsst mich gehen lassen. Ich muss nach Montborne!«
»Eure Leidenschaft überwältigt mich, Demoiselle .« Er starrte sie eine lange Weile an und sie betete, sein
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