Die Ehre des Ritters (German Edition)
Schweigen möge ein Zeichen dafür sein, dass er ihre Bitte überdachte. Betete, dass er Gnade walten und sie freilassen würde. Doch das träge Lächeln, das sich in seinem Gesicht ausbreitete, deutete nicht darauf hin. »Soll ich das so verstehen, dass Ihr aus Liebe heiraten werdet, Mylady?«
»Ich erwarte nicht, dass Ihr überhaupt etwas versteht, am wenigstens meine Gründe für eine Heirat.«
Sein Blick schien sich förmlich in sie hineinzubohren. »Liebt Ihr Euren Verlobten?«
»Würde es einen Unterschied machen, wenn ich es täte?«
Er lachte kurz auf. »Bedauerlicherweise nein. Ich bin lediglich … neugierig.«
»Nun, in diesem Fall dürft Ihr gerne weiter herumrätseln«, zischte sie. »Meine Gefühle gehen Euch nichts an.« Ihr Wunsch, Abstand zwischen sich und diesen überheblichen Halunken zu bringen, wurde immer dringlicher, und sie versuchte verzweifelt, ihren Arm aus seiner Umklammerung zu lösen. Doch er rührte sich nicht. Im Gegenteil, er schien sie nur noch eindringlicher anzustarren.
»Nein, Ihr kennt ihn kaum«, sagte er, als könne er die Wahrheit in ihren Augen lesen. Anscheinend verspürte er bei dieser Feststellung einen Hauch von Schadenfreude, denn sein verwegenes Lachen wurde breiter und ließ zwei Grübchen in seinen bartstoppeligen Wangen erscheinen. »Ich nehme an, Ihr habt den Mann bisher nicht einmal getroffen. Oder doch?«
Sie verweigerte die Antwort, allein es nutzte ihr nichts.
»Ihr habt Euren Bräutigam nie getroffen, und doch setzt Ihr Leib und Leben aufs Spiel, um zu ihm zu gelangen. Warum, Mylady?«
»Das ist meine Pflicht, Sir«, antwortete sie in gebieterischem Ton. »Der König persönlich hat meine Heirat befohlen.«
»Ihr scheint mir nicht die Sorte Frau, die blindlings Befehle befolgt, gleich, wer sie äußert.« Er brachte sein Gesicht näher an das ihre, so nah, dass sich ihr Atem vermischte, ihre Nasen sich fast berührten, dieselbe Luft atmeten. »Versucht es noch einmal, Demoiselle . Dieses Mal mit der Wahrheit.«
Sie dachte an die vielen Gründe, aus denen sie Sebastian of Montborne heiraten wollte – Mauras Wohlergehen, das Reinwaschen ihres Familiennamens, eine gute Partie zu machen, um einen Funken der Ehre wiederherzustellen, die ihre Familie früher genossen hatte – jeder einzelne war zwingend genug, um dafür ihr Leben zu riskieren und, wenn nötig, durchs Fegefeuer zu gehen. Sie dachte an all die persönlichen Gründe, aus denen sie die arrangierte Ehe mit dem Earl of Montborne schließen wollte, doch zu guter Letzt entschloss sie sich, denjenigen preiszugeben, der diesen kaltherzigen Fremden ihr Leid am wenigsten erahnen lassen würde.
»Ich habe es vor Gott geschworen«, sagte sie mit leiser Stimme. Ihre Brust hob und senkte sich zwischen dem Druck seines Körpers, der dem ihren viel zu nahe war. »Ich habe einen Schwur geleistet und bin daran gebunden.«
Der Schurke sah wenig überzeugt aus. »Die Ehre macht einen Menschen zum Narren, Mylady.«
»Ehre, Sir, ist das, was den Menschen vom Tier unterscheidet«, erwiderte sie fest.
»In der Tat«, gab er zu. »So ist es.«
Lachend hob er eine seiner dunklen Brauen und bleckte die Zähne in einem entschieden wölfisch wirkenden Lächeln, das Isabel keinen Zweifel ließ, in welche der beiden Kategorien dieser Schuft einzuordnen war. Sie wand sich erneut unter ihm, wehrte sich, obwohl sie wusste, dass es nutzlos war. Er würde sie erst dann loslassen, wenn er genug davon hatte, mit ihr zu spielen, ähnlich wie ein Raubtier, das mit seiner hilflosen Beute spielte.
»Sagt mir, Mylady«, meinte er und blickte sie mit diesen aufwühlenden Löwenaugen an, »warum hat man Euch so lange im Kloster gelassen? Wart ihr eine Bürde für Euren armen Vater? Eigensinniger, als Euch gut tat, vielleicht? Immerhin sind die meisten Frauen Eures fortgeschrittenen Alters längst verheiratet, haben Kinder geboren und sind meist sogar schon zwei Mal verwitwet.«
»Ich bin nicht eigensinnig, und achtzehn Sommer kann man wohl kaum als alt bezeichnen«, gab Isabel hitzig zurück. Seinen belustigten Blick gewahrend, atmete sie tief ein, um sich zu beruhigen. Sie war verärgert über sich, weil sie sich von ihm zu Rechtfertigungen hatte verleiten lassen. »Es geht Euch zwar nichts an, aber ich wurde ins Kloster geschickt, nachdem mein Vater … starb.«
Doch obwohl sie sich bemühte, das Wort mit fester Stimme hervorzubringen, blieb es ihr doch fast in der Kehle stecken und zog die Aufmerksamkeit ihres Entführers
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