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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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auf. »Ach was, mich beißt gerade die Muse. Kommen sie mit, ich führ' Ihnen das alles vor.«
    Das stille Kämmerlein war die Untertreibung des Jahres: Eine ganze Artillerie von Lautsprechern war aufgebaut, denn Alleskönner Sigi arbeitete grundsätzlich mit Musik zwischen forte und fortissimo. In der Mitte des großen Raumes stand ein Schlagzeug, und hier haute der Junior mitunter buchstäblich auf die Pauke. Keiner hinderte ihn daran oder versuchte, die Lautstärke zu dämpfen. Immer wieder erlebten die Mitarbeiter als Augenzeugen, daß diesem künstlerischen Hansdampf in allen Gassen nach einem rasenden Trommelwirbel die Einfälle kamen.
    Er verlängerte sein Solo, stand auf.
    »Dufte, was?« fragte er und wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Welch begnadeter Schlagzeuger ist an mir verloren gegangen!«
    »Weiß Gott«, sagte der Art-Director scheinheilig, und Raschke warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »Nun will ich euch was sagen«, kam der vormalige Plaschkowitz zur Sache. »Ich habe mir heute Nacht eure Entwürfe angesehen. Alles kalter Kaffee. Oder besser: toter Rauch. Mit diesem Quatsch könnt ihr dem Konsumenten keinen blauen Dunst mehr vormachen.« Er stand auf, lief umher, redete wie im Selbstgespräch auf sich ein. »Wir sind alle Raucher, nicht?« Er zündete sich eine Zigarette an. »Wir inhalieren. Was spüren wir dabei?«
    »Entspannung«, antwortete Niebier.
    »Du bist ein schöner Trottel«, versetzte der Junior brutal. »Ein schlechtes Gewissen natürlich.«
    »Weiter …« beendete Raschke den keimenden Streit.
    »Und da setzen wir den Hebel an. Wir wissen von unserem neuen Fabrikat, daß es weniger Teerstoffe und Nikotin enthält. Wenn wir das mit einem Slogan dem Raucher klarmachen können, haben wir den Auftrag nebst Etat in der Tasche.«
    Mitten im Satz zog er den Mantel an.
    »Du kannst doch jetzt nicht gehen«, sagte Raschke.
    »Doch«, erwiderte der Junior. »Ich muß meinen neuen Anzug abholen.« Er war eitel. Er ging sehr oft zum Schneider. Zu jedem Auftrag einen neuen Anzug: viele Aufträge, viele Anzüge. Aus dem Terminkalender wußte ich: Salon Monsieur, gleich um die Ecke.
    »Ich bin in zehn Minuten wieder da. Vielleicht habt ihr bis dahin einen Einfall.« Das Hausgenie grinste unverschämt. »Sonst verlasst euch auf mich.« Er drehte sich noch einmal um. »Wie immer«, verabschiedete er sich bescheiden.
    »Natürlich hat er recht«, sagte Raschke.
    »Wie immer«, echote Niebier giftig.
    Wir warteten geduldig. Über zwanzig Minuten. Dann kam Sigi zurück. Er trug einen eleganten Maßanzug, nach meinem Geschmack ein wenig zu blau und eine Spur zu modisch.
    »Was sagt ihr?« fragte er und stolzierte wie über einen Laufsteg.
    »Deine Sorgen möchte ich haben«, erwiderte der Senior. »Wie steht's mit unserem neuen Slogan?«
    »Kindisch einfach«, versetzte der Meister der Geistesblitze: »Wir nennen die Zigarette DIRIGENT.«
    »Und?« fragte Niebier hastig.
    »Wir verkaufen sie mit dem Slogan: DIRIGIEREN SIE IHRE G ESUNDHEIT .«
    An dem Verhalten Raschkes und Niebiers merkte ich, daß sie den Einfall für durchschlagend hielten. Es kam Leben in die Bude. Das ganze Haus geriet aus dem Häuschen: Farbpsychologen würden sich ans Werk machen, die Designer, die Verpackungsspezialisten.
    »Moment mal«, stoppte ich den Ansturm. »Können wir den Namen noch geheim halten?«
    »Aber der Schriftenzeichner muß ihn doch haben«, erwiderte Plaschke.
    »Lassen Sie ihn ein Fantasiewort mit acht Buchstaben zeichnen.«
    Das ganze Team übersetzte nun eine Idee in einen Werbefeldzug im Sandkasten, in Fachkreisen Präsentation genannt.
    Am Donnerstag hatte Sigi den Markennamen geboren. Am Montag stand die Werbeschlacht in allen Einzelheiten fest – und am Dienstag starb sie aufrecht in den Sielen.
    »Die letzte Schweinerei«, fluchte Plaschke außer sich. »Die Konkurrenz ist uns zuvorgekommen.«
    Sie hatte den Titel KOMPONIST und den Slogan: KOMPONIEREN SIE IHRE G ESUNDHEIT kreiert.
    »Ich bring' die Sache heute noch in Ordnung«, versprach ich dem Senior.
    »Ein großes Wort«, erwiderte der Junior kleinlaut, warf Cora einen schmachtenden Blick zu und zog nervös an seiner Zigarette, warf sie weg und zündete sich die nächste an.
    Die DREI-KLANG-WERBUNG war in einem nicht minder feinen Haus domiziliert. Sie galt als erfolgreiche und seriöse Firma, und ihr geschäftsführender Gesellschafter Gregor Willmann gehörte sicher nicht zur Gilde der ehrenwerten Diebe. Wir hatten

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