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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Oreo-Keks auf dem Tisch, auf einer Koje die Taschenbuchausgabe einer Frank Sinatra-Biographie, Instamatic-Kamera auf einem Kühlschrank. Er erreichte die Pentecost. Ihr weißer Rumpf leuchtete wie die Wälle des Neuen Jerusalem. Billy kletterte an Bord. Er hielt sich an der Dreihundert-Dollar-Marlin-Rute fest, die er am Heckspiegel befestigt hatte. Was bedeutet Reichtum? Eine Jacht und ein großes Haus. Und deine Kirche das größte Gebäude in Atlantic City. Es bedeutete… nichts.
    Der Herr erlegte den Apokalyptikern strengere Prüfungen auf als anderen Gläubigen. Wenn die Frau eines Apokalyptikers nach einer Frühgeburt starb, hörte die Prüfung damit nicht auf. Nein, denn Billys kleiner Sohn war in einen Inkubator gebracht worden, und der Sauerstoff aus der Flasche hatte die unentwickelten Blutgefäße seiner Augen verengt; so war sein Sohn durch Luft gezeichnet.
    Als Billy hörte, sein Sohn, erst einen Tag alt, würde niemals sehen können, hatte er geschwankt zwischen Unglauben und dem Frevel Hiobs; hatte mit bloßer Faust die Gipskartonwand des Kreißsaales bis in die Säuglingsstation hinein durchschlagen.
    Billy Milk besaß eine Jacht, eine Kirche, einen blinden Sohn. Er besaß nichts.
    Bald danach betrat er die Kabine, wo die gute, alte Mrs. Foster herumtänzelte. Sie hielt ihm das Supermarkt-Skandalblatt Midnight Moon ins Gesicht. »Das Allerneueste!« rief sie aus und zeigte auf einen Artikel über einen britischen Zoo, wo Schoßtiere für sehbehinderte Kinder trainiert wurden. Auf der Fotografie daneben führte ein angeschirrter Schimpanse ein blindes Mädchen über einen Spielplatz. »Wenn Timothy drei ist, ist er alt genug für so einen Affen«, behauptete sie. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem flachen Gesicht aus. Die Haut war braun und faltig wie ein gebrauchter Teebeutel. »Orang Utans sind am billigsten, aber Schimpansen sind geschickter und leichter zu halten.«
    »Ich weiß Ihre Fürsorge zu schätzen«, sagte Billy ungeduldig, »aber das ist nichts für ein Christenkind.« Mrs. Foster war eine gute Kinderfrau, eine fromme Apokalyptikerin, es fehlte ihr nur an Takt. »Das werde ich Gott selbst fragen. Ich werde beten.«
    »Ja. Tun Sie das.« Billy schlich sich hinaus. Der Herr würde ihm sicher die Heftigkeit gegen Mrs. Foster verzeihen. Er hatte Timothy seit dem Lunch nicht gesehen.
    Er kroch in die vordere Kabine zur kleinen Koje. Zweijährige schlafen so unschuldig, nicht wie Erwachsene. Ohne Schnarchen, Herumwerfen; ohne schmutzige Träume. Sanft streichelte er Timothys Decke, den Stoffhasen, den kleinen in Windeln gepackten Hintern, der sich wie ein Kohlkopf auf der Matratze erhob. Was für eine schöne, weiche Welt der Herr geschaffen hatte. Wenn nur Barbara… Aber sie konnte sehen, sie konnte es sehen. Billy beugte sich über die Koje und küßte den Nacken seines Sohnes. Keine siebzig Jahre, und Timothys Leiden würde vorüber sein. Im Himmel gab es keine Blindheit. Die Ewigkeit wußte nichts von retrolentaler Fibroplasie.
    Er ging zum Steuerhaus, nahm den kaputten Feldstecher von seinem Platz zwischen der Bibel und den Seekarten. In einem Wutanfall hatte Timothy die Linsen auf der linken Seite zerbrochen. Billy drehte das Glas senkrecht, hielt das heile Okular vor sein gesundes Auge und fokussierte auf das Institut, das, halb vom Nebel verhüllt, im Nieselregen vor ihm lag. In einem Fenster im zweiten Stock brannte Licht. Wahrscheinlich ein Nachtarbeiter. Billy schloß das gesunde Auge und preßte die Stirn gegen das Glas. So würde es eine Grenzlinie geben, quer über alles hinweg, jener schreckliche Saum, der die Gesetze Gottes und die Bräuche der Menschen voneinander schied wie die Hälften des Roten Meeres.
    Er riß den Zünder aus dem Mantel. Auf beiden Seiten des Kais stampften die Jachten seiner Gemeinde auf die dunkle Bucht zu.
    Mehr als ein Jahr war es her, daß Billy versucht hatte, mit Gott einen Handel einzugehen. Es hatte so vernünftig ausgesehen, so symmetrisch. Ich werde eines von meinen Augen zerstören, Gott, und du gibst Timothy eines seiner Augen zurück. Das ist alles, worum ich bitte – Auge um Auge.
    Billy hatte sich mit Timothys Tauflöffel ein Auge ausgestochen. Infektion, dann Operation. Billy wollte kein Glasauge. Er zog es vor, ein Loch im Kopf zu fühlen; ein Mal, das ihm die Unerfülltheit seines Schicksals verkörperte.
    Gott ließ nicht mit sich spaßen. Gott ließ nicht mit sich handeln. Der himmlische Vater war beleidigt, er gab dem irdischen

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