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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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bewachen zu lassen, da Carpanesi, ihnen zufolge, nicht der Typ sei, lockerzulassen.«
    Oh, Scheiße.
    Stille. Da er nichts hörte, fuhr Fusco fort: »Darüber hinaus haben sie mir gesagt, Sie hätten sich einverstanden mit ihren Schlussfolgerungen gezeigt und sie sogar noch dazu ermutigt, das Kommissariat aufzusuchen, und ihnen gesagt, es sei ihre Bürgerpflicht.«
    »Nein, warten Sie. Das ist nicht ganz richtig. Ich …«
    »Signor Viviani, Ihr Großvater ist achtzig Jahre alt und hat von morgens bis abends nichts zu tun. Von Ihnen hätte ich mir allerdings ein anderes Verhalten erwartet. Ist Ihnen klar, dass es sich dabei um Verleumdung handelt?«
    Wenn du nichts zu sagen hast, schweig.
    Während Massimo sich an seine eigene goldene Regel hielt, schwieg auch Fusco einen Augenblick, dann sprach er weiter: »Für diesmal habe ich ihre spontane Aussage zu Protokoll genommen, allerdings nur bezogen auf die Tatsache, dass Carpanesi Signora Corucci schon vor ’96 gekannt haben soll, und mich darauf beschränkt, ihnen zu sagen, dass die Sache meiner Meinung nach nichts zu bedeuten hat. Wenn so etwas noch einmal vorkommt, behalte ich Ihren Großvater auf dem Kommissariat und nehme ihn wegen Landstreicherei in Arrest.«
    »Das würden Sie tun?«
    Ein kurzer Moment absoluter Stille war zu hören, wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass es Fusco den Atem verschlagen hatte. Nach einigen quälenden Sekunden ergriff er erneut das Wort: »Signor Viviani, lassen Sie mich eines klarstellen. Ich bin hier und versuche, meine Arbeit zu tun. In der letzten Woche hatten wir einen Brand in einem Nachtlokal, drei Taschendiebstähle, darunter einer mit einem Schwerverletzten, und vier Autodiebstähle. All das muss ich mit einem Personal von in Wirklichkeit zwei Personen und einem Dienstwagen bewältigen, der nur der Form halber existiert, weil wir ihn mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht einmal volltanken können. Das Letzte, was ich da noch brauchen kann, ist eine Horde verkalkter Pensionäre.«
    Wie gut ich dich verstehe.
    Dann fuhr Fusco in etwas weniger bitterem Tonfall fort: »Bitte legen wenigstens Sie ein etwas vernünftigeres Verhalten an den Tag. Sobald Ihr Großvater zurückkommt, erklären Sie ihm bitte, dass man nicht jedes Jahr einen Mord haben kann, nur damit es nicht langweilig wird. Und gießen Sie kein Öl ins Feuer, bitte. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Sicher. Seien Sie unbesorgt.«
    »Jetzt guck sich nur mal einer an, in was für einem Drecksland ich alt werden musste …«, lautete Ampelios Prolog, kaum dass die vier von ihrem bitteren Gang in die Bar zurückgekehrt waren.
    Massimo wählte wie gewöhnlich den Weg der Diplomatie.
    »Großvater, Fusco hat mich gerade angerufen. Bist du denn blöde geworden?«
    »Ich? Der ist doch der Blödmann! Und er ist es nicht mal erst geworden, der war doch schon immer dumm wie Bohnenstroh! Wir gehen da hin, um ihm zu sagen, dass da was nicht stimmt, und er sagt uns, das wäre nicht wichtig. Wie hat er noch gesagt?«
    »Meinem Dafürhalten nach liefert dieser Umstand keinerlei Anhaltspunkt für eine Straftat«, antwortete Aldo. »Sehr klar, würde ich sagen.«
    »Das ist ja das Drama mit Italien«, echote Rimediotti. »Du tust deine Pflicht, und statt dir zu danken, stecken sie dich beinahe ins Kittchen, als wärst du der Verbrecher. So ist es doch immer: Wenn man den Staat mal braucht, ist er nicht da.«
    Da haben wir’s. Der Staat, der seinen Pflichten nicht nachkommt. Der Staat, der beim Appell fehlt.
    In einem Satz: Der Staat, wo ist er?
    So fragt sich der durchschnittliche Italiener mit einer Mischung aus Bitterkeit und aufgesetzter Ungläubigkeit, wenn irgendetwas nicht richtig läuft. Ja, der durchschnittliche Italiener: der, der sich seit Jahrzehnten vor der Steuer drückt, der den Klempner wohlwollend anlächelt, nach dem Motto: »Wir sind doch Männer von Welt«, als dieser ihn fragt: »Wollen Sie eine Quittung?«, und der sich im Krankenhaus einer Nierentransplantation unterzieht, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen (eine Operation, für die er in einer Privatklinik seine Niere oder einen anderen Körperteil hätte verkaufen müssen, statt sich eine einpflanzen zu lassen). Jahre um Jahre harter Arbeit bei der Post, Tausende verloren gegangener Briefe und verschwundener Pakete, also ein Leben ganz im Dienste des Staates, und wenn der Staat sich mal an dich erinnert, dann nur, um dich mit einem armseligen Bruchteil der enormen Rechnung

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